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Eisleben Eisleben: Nach den Kämpfen kurzer Prozess

Von BURKHARD ZEMLIN 20.03.2011, 17:42

EISLEBEN/MZ. - Vor Ostern des Jahres 1921 glich das Mansfelder Revier einem Pulverfass. Es brodelte in Stadt und Land, soziale Spannungen drohten sich zu entladen, nachdem infolge einer Wirtschaftskrise in vielen Familien die blanke Not regierte. Um die Lage zu beruhigen, verlegte der Oberpräsident der Provinz Sachsen, Otto Hörsing, am 19. März starke Polizeikräfte nach Eisleben und Hettstedt. Diese sollten für Ruhe und Ordnung sorgen.

Mit drei Hundertschaften bezog die Polizei im Eisleber Lehrerseminar, dem heutigen Luthergymnasium, und in der Mädchenvolksschule (heute Katharinenschule) Quartier, was heftige Proteste auslöste.

Als am 22. März Max Hoelz in Klostermansfeld eintraf, fand er hier eine Anhängerschaft, die zum Aufstand entschlossen war und bereit war, ihm zu folgen.

In der Nacht zum 23. März fielen in Eisleben die ersten Schüsse. Die aufständischen Arbeiter hielten die Höhen um die Stadt besetzt und beherrschten so die Lage. Die Polizei war in ihren Stützpunkten eingeschlossen. Über den Regierungsbezirk Merseburg wurde der Belagerungszustand verhängt. Die Mansfelder Volkszeitung, das Sprachrohr der Aufständischen, wurde verboten, ebenso Versammlungen und öffentliche Aufzüge unter freiem Himmel. Um die Lage unter Kontrolle zu bekommen, schickte die Regierung am 24. März von Halle aus weitere fünf Hundertschaften nach Eisleben, die auf ihrem Vormarsch bei Stedten und Helfta heftigen Widerstand zu brechen hatten, ehe es ihnen gelang, den Aufstand niederzuschlagen.

Am Ende der Kämpfe waren in und um Eisleben mehr als 30 Todesopfer zu beklagen, etwa 230 Personen wurden verletzt, unter ihnen auch ein kleiner Junge: Albert Hennig vom Eisleber Rammberg, sechs Jahre alt. Er wurde mit einem Beinschuss ins Krankenhaus eingeliefert. "Große Blutlachen in der Nähe des Marktes legen Zeugnis ab von der Schwere der Kämpfe", schrieb seinerzeit das Eisleber Tageblatt.

Bald begann ein Strafgericht. Mit so manchem der Besiegten wurde offenbar kurzer Prozess gemacht, wobei, wie es hieß, auch Personen betroffen waren, denen eine Beteiligung am Aufstand gar nicht nachgewiesen werden konnte. Ein Beispiel dafür ist der 18-jährige Stefan Weiner, der noch kurz vor seiner Erschießung in Helbra fotografiert worden ist. Das Bild zeigt ihn gemeinsam mit Walter Pawlak an ein Pferd gebunden. Hoch zu Ross sitzt ein Polizist, der die beiden Gefangenen an Stricken durch den Ort führt. Das Foto sagt allerdings nichts darüber aus, wohin er die beiden gebracht hat. Doch der Heimatforscher Harald Schlanstedt weiß, dass man am nächsten Tag ihre Leichen in Bischofrode fand. Für ihn besteht kein Zweifel, dass beide erschossen wurden, obwohl es keine amtliche Bestätigung dafür gibt. Die Behörden versicherten, dass "kein Mensch standrechtlich erschossen" worden sei. Oberpräsident Hörsing hob bei seiner Darstellung der Ereignisse ausdrücklich hervor, "daß alles Gerede über Standgericht, Mißhandlungen und dergleichen unwahr" sei, "daß vielmehr die Polizeitruppen vom ersten bis zum letzten Mann in einwandfreier Weise ihre Pflicht getan" hätten.

Schlanstedt vermag dem Oberpräsidenten jedoch keinen Glauben zu schenken. Er hat sich mit dem politischen Nachspiel der Märzkämpfe beschäftigt und im Stadtarchiv Eisleben den "Stenographischen Bericht über die Verhandlungen des Untersuchungs-Ausschusses des Preußischen Landtages vom 27. und 28. Oktober 1921" gefunden. Dieser enthält unter anderem die Aussage des Helbraer Gemeindevorstehers Heinrich Fleer, in der auf die beiden ans Pferd gebundenen Gefangenen Bezug genommen wird. Fleer sagte vor dem Ausschuss, der er unter anderem klären sollte, wie es zu den sieben Erschießungen in Bischofrode gekommen war: "Unter den von der Schupo Erschossenen befand sich der Bergarbeiter Weiner. Dieser ist kurz vorher in Helbra von einem Schupobeamten mit einem Strick an ein Pferd gebunden worden und in der Richtung nach Bischofrode transportiert." Im Protokoll folgt danach in Klammern der Vermerk: "Zeuge erkennt dann auf dem Bilde in der Zeitschrift ,Woche' einen gewissen Pawlak, der hinterste auf dem Bilde und Weiner, der vorderste auf demselben." Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er wisse, was weiter mit den beiden geschah, antwortete Fleer: "Nein. Weiner hat nachher bei den sieben Erschossenen in Bischofrode gelegen."

"Wissen Sie, warum beide verhaftet worden sind?", fragte der Vorsitzende. Antwort: "Durch Denunziation. Pawlak war ja ein Mensch, der im schlechten Ruf stand. Er war Russe, ebenso war Weiner Ausländer, lebte aber von Kindesbeinen dort." Schließlich fragte der Vorsitzende: "Sie wissen nicht, ob sich beide am Aufstand beteiligt haben?" Der Zeuge: "Nein, soweit ich weiß, hat sich Weiner nicht am Kampf beteiligt."

Ein Abgeordneter stellte die Frage: "Hat man die Leute ans Pferd gebunden, nachdem man sie mißhandelte?" Der Gemeindevorsteher Heinrich Fleer antwortete: "Während sie ans Pferd gebunden wurden, hat man sie mit dem Kolben ins Kreuz gestoßen. Was noch weiter geschah, weiß ich nicht. Ich stand 50 Meter davon entfernt. Die Schupo ist dann abgeritten."