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Eisleben Eisleben: «Bierbrauen ist ein Unheil»

Von gudrun riedel 08.06.2012, 17:05

eisleben/MZ. - Seit sich die Stadt aus Kosten- und personellen Gründen aus der Kulturszene immer mehr als Veranstalter zurückzieht, ist zunehmend wahrzunehmen, dass es private Besitzer von Gaststätten, Höfen, Kleinen Galerien, Kirchen, Vereine oder Buchläden sind, die Geld und Zeit investieren, um die kommunal nicht mehr zu händelnde Lücke mit neuen Ideen zu schließen. Und das gelingt, wie das Cafe "Plan B" am Markt 33 in der Lutherstadt Eisleben beweist.

Drei Unternehmer, Timo Hoffmann, Sven Deckert und Rainer Gerlach, ergriffen die Initiative und installierten ein neues Konzept für das ehemalige Cafe am Markt. Der Erfolg scheint den drei Besitzern Recht zu geben. Auch die jüngste Buchlesung mit Pastorin Simone Carstens-Kant am Donnerstagabend war gut besucht. Die Pastorin, die maßgeblich an der Errichtung des "Zentrums Taufe" mitgewirkt hat, hatte sich für ihre erste Lesung das Buch "Eine Frage noch, Herr Luther, ein Interview mit einem Ketzer" ausgesucht.

Der freischaffende Journalist und Schriftsteller Manfred Wolf führt in dem rund 160 Seiten umfassenden Buch ein fiktives Interview mit Dr. Martin Luther. Und so erfuhr der Zuhörer eine Menge über dessen Vorstellungen von Lebens- und Verhaltensweisen. Dabei ging es unter anderem um die Beziehungen zwischen Mann und Frau, über Kinder, Haus und Küche aber auch um Luthers Meinungen zu Kirche, Ärzte und Pastoren sowie über das Saufen und Essen und die Moral der Deutschen.

Nach Luthers Ansicht muss beispielsweise ein guter Redner "fein und ordentlich lehren können; einen feinen Kopf haben; wohl beredt sein; eine gute Stimme und Gedächtnis haben und auch wissen, wann er mit dem Reden aufhören soll". Für den ehemaligen Mönch, der ab 1525 mit der Nonne Katharina von Bora verheiratet war und mit ihr sechs Kinder zeugte, war der Ehestand nach seiner Religion "der fürnehmste Stand auf Erden und nach Gottes Ordnung und Kreatur". Er rät allerdings: "Ein Weib ist bald genommen, aber sie stets lieb zuhaben, das ist schwer und Gottes Gabe, denn Treue macht wesentlich das eheliche Leben aus, so dass einer zum anderen sage: Ich bin dein und du bist mein." Auch zum Nachwuchs hat der Reformator natürlich eine Antwort parat: "Kinder sind das Ehepfand der Liebe, müssen aber erzogen werden. Man soll ein Kind erziehen, solange Hoffnung da ist. Wenn keine Hoffnung mehr ist, dass es etwas lernt, dann kann man Kinder darum nicht totschlagen, sondern muss sie an etwas anderes gewöhnen".

Martin Luther, der selber gerne aß und trank, aber das schnöde Saufen und die Trunkenheit verabscheute, fachsimpelte zur Frage nach Essen und Trinken: "Das Saufen ist in unserem Lande so eine Art Pest, welche durch Gottes Zorn über uns geschickt ist." Und er meinte: "Wer das Bierbrauen hat erfunden, der ist ein Unheil für Deutschland gewesen."

Es war ein unterhaltsames "Zusammensein mit Martin Luther und erfahrungsreich allemal, was dem Herrn Doktor so auf den Nägeln seiner Zeit brannte. Seine Vorstellungen sind heute so aktuell ist wie vor 500 Jahren. Dazu passte auch die launige Vortragsweise von Luther-Anhängerin Simone Carstens-Kant, deren ausdrucksstarke Stimme zum Verständnis der Texte und ihre Ausdeutung beitrug.