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Wirtschaft Wirtschaft: Leipziger Fotostudio expandiert nach Dessau

Von Steffen Brachert 15.11.2012, 18:33

Dessau/MZ. - Der erste Eindruck war ernüchternd. Kein Strom. Keine Heizung. Das Haus war 20 Jahre nicht vermietet - und sah auch so aus. Doch Kathy Hennig hatte den Blick eines Fotografen, sah die alten Fenster, bestaunte die unbehandelten Betonwände und sah die weite Fläche, die sich hier bot. "Es war", sagt die Fotografin, "wie gemacht für eine Fotostudio."

Von der Hermann-Köhl-Straße aus ist das dunkle Gebäude auf dem ehemaligen Gasgerätewerk unübersehbar. "Golden Eyes Fotostudio" steht seit einigen Monaten in großen Buchstaben unter der Dachkante. "Auf dem Laptop sah das nicht so groß aus", hebt Hennig entschuldigend die Schultern. Michael Stein grinst nur. "Doch. Es sah so groß aus."

Lange Umbauarbeiten

Ein Jahr lang haben die Umbauarbeiten gedauert. "Wir haben alles nebenbei und viel selbst gemacht", sagt Hennig. Der alte Fußboden wurde erhalten. "Das wollten wir unbedingt." Die Heizkörper wanderten unter die Decke und geben dem Industriegebäude Industrie-charme. Die Betonwände strahlen im verwaschenen Grau. Bestens geeignet als Foto-Hintergrund.

Drinnen sitzen Hennig und Stein zufrieden auf einer weißen Leder-Couch. Am 1. Oktober hat "Golden Eyes" in Dessau ein Foto-Studio eröffnet. Kathy Hennig, Lars Ihring und Michael Stein haben dafür eine neue Firma gegründet. Stein, der in Dessau seit 2009 mit "Spiegelbild" ein eigenes Fotostudio hat, hatte die Umbauarbeiten beobachtet - und irgendwann einfach vorbeigeschaut und gefragt, ob man nicht Hilfe brauchte. "Als Einzelkämpfer ist es immer schwierig voranzukommen", sagt Stein. Einige Mails und zahlreiche Fotos später, waren sich alle drei einig. "Es", sagt Hennig "hat sich halt so ergeben und es passt."

Wenn Kathy Hennig von "Golden Eyes" erzählt, ist es eine Geschichte voller Zufälle und Fügungen. "Ich weiß, es hört sich seltsam an, doch genauso war es", versichert die 32-jähriger Dessauerin, deren Oma schon Fotografin war und die schon mit 14 Jahren mit einer alten "Praktika" durch die Gegend zog. Elf Jahre später, 2005, war da dieses Bauchgefühl. "Ich wollte ein eigenes Fotostudio." In Leipzig, wo Hennig bei der Telekom jobbte. "Das war am Anfang meine Grundsicherung, um auch alles bezahlen zu können."

Die ersten Jahre waren schwierig. Das 100 Quadratmeter große Studio im Leipziger Barfußgässchen war ein Jahr lang Wohn- und Arbeitsort zugleich. "Es ging nicht anders." Doch nach und nach kamen die ersten Aufträge. Das Berufsbildungswerk Leipzig. Das Fraunhofer Institut. "Da waren wir gut ausgelastet." Wir? 2006 hatte Hennig einen zweiwöchigen Auftrag bei der Cebit in Hannover - und mit Lars Ihring einen Bekannten gefragt, ob er auf das Studio aufpassen könne. Beide hatten sich über die Foto-Community kennengelernt - und oft über eigene Fotos diskutiert. "Ich kam zurück, Lars blieb einfach da."

Hennig und Ihring wurden "Golden Eyes", benannt nach dem 17. James-Bond-Film, in dem erstmalig Pierce Brosnan den Bond spielte. Bald kamen Radeberger und Tchibo als Kunden dazu. 2007 begannen beide, eine Fotoschule zu eröffnen und eigene Workshops anzubieten. "Wir haben mit Baustrahlerfotografie begonnen." Baustrahlerfotografie? "Wir haben einen herkömmlichen Verbandkasten genommen und aus der Warmhaltefolie Reflektoren gebastelt", sagt Hennig. Statt 100 Euro kamen die so nur drei Euro - und ermöglichten den Hobby-Fotografen professionelle Bedingungen. "Der Kurs läuft noch heute gut."

2009 war das Studio im Barfußgässchen zu klein geworden. "Golden Eyes" hatte den ersten Azubi und immer mehr Kunden. Hennig und Ihring suchten und fanden im Leipziger Waldstraßenviertel zwei Etagen, bestens geeignet für zwei Fotografen, die immer erfolgreicher wurden - und irgendwann sogar begannen, eigene Fotobücher zu schreiben. "Ein Verlag ist auf der Fotokina auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir uns das vorstellen können", erinnert sich Hennig. Ende 2009 erschien das Buch "Porträtfotografie". Ende 2010 folgte das zweite Buch über "Akt-Fotografie". Aktuell ist das dritte Buch auf den Markt gekommen. Das Thema: Posing. "Der Verlag wollte an dieses Thema eigentlich nicht ran", gibt Hennig zu. "Es war unsere Idee, weil es so etwas am Markt nicht gab." Entstanden nach Feierabend und kurz vor Abgabeschluss, weshalb Hennig im Buch auch schon mal selber als Modell auftaucht, ist "Posing" das bislang erfolgreichste Buch von "Golden Eyes" - und macht die Workshops der Autoren für Fotografen aus ganz Deutschland interessant.

Die eigene Erfolgsgeschichte zu erklären fällt schwer. "Wir wollen nicht die Fotos machen, die jeder erwartet. Wir sind keine Fotografen, die sagen, so muss es sein, wir sagen, so kann es sein", sagt Hennig. "Golden Eyes" hat inzwischen den dritten Azubi. Aus Österreich. "Es ist aber ein ehemaliger Dessauer, der nun bei uns in Leipzig lernt." Und bald vielleicht öfter wieder in Dessau ist.

Der Schritt zurück ist eigentlich keiner. "Wir haben schon immer viele Kunden gehabt und am Ende einfach mal die Fahrtkosten und die Fahrtzeiten berechnet. Die ganze Hin und Her-Fahrerei war am Ende auch anstrengend", erzählt Hennig und ist von den ersten eineinhalb Monaten überrascht. "Es war nicht geplant, dass wir jeden Tag hier sind. Doch der Terminkalender ist gut gefüllt."

Ausstellung zur Eröffnung

Ein Termin ist dort besonders dick angestrichen. Der Sonnabend, 19 Uhr: In der Hermann-Köhl-Straße 15 wird dann das Dessauer "Golden Eyes"-Fotostudio offiziell eröffnet. Mit einer Ausstellung, die nur an diesem Tag zu sehen ist und unveröffentlichte Bilder aus Georgien zeigt, wo Hennig 2007 eine Reportagereise hinführte, aber auch Porträts, Akt-Aufnahmen, Architektur-Fotos. "Wir wollen eine Querschnitt unseres Könnens anbieten." 300 Einladungen sind raus. Bestimmt ergibt sich an dem Abend zufällig das eine odere andere neue Projekt.