Werkzeugschleiferei im Kabelweg Werkzeugschleiferei in Dessau: Ein Meister der Präzision sagt Tschüss

Dessau - Seinen letzten Arbeitsauftrag nahm Rainer Roßdorf am Mittwoch von Firmenchef Stefan Seidel entgegen: Ein Sonderwerkzeug für eine Kunststofffirma in Halle ist anzufertigen.
Der 63-jährige Roßdorf arbeitete 23 Jahre in der Präzisions- und Werkzeugschleiferei im Kabelweg und geht nach 45 Berufsjahren in Rente.
Ein Meister seines Fachs
Was die Handwerkskammer veranlasste, ihn für seine meisterhaften beruflichen Leistungen auszuzeichnen. Peter Hoffrichter überbrachte Blumen und Urkunde.
„Er ist ein Meister seines Fachs und hinterlässt eine große Lücke“, ist auch Chef Stefan Seidel des Lobes voll für den Mitarbeiter, der ihm von Anfang an zur Seite stand. 2007 hat der 37-Jährige die damalige Firma Donner+Brief GbR übernommen. Rainer Roßdorf war sein einziger Mitarbeiter. Heute gehören fünf zum Team.
Alf Cygan gehört seit sechs Wochen dazu. Er ist als Nachfolger Roßdorfs eingestellt. Noch sind dessen Fußstapfen ein bisschen groß, „aber er lernt jeden Tag dazu und macht das gut“, weiß Rainer Roßdorf, dass es die vielen speziellen Aufträge sind, die die Arbeit interessant, aber auch sehr anspruchsvoll machen.
Ein Standardwerkzeug wird ganz speziell
Fließbandarbeit ist in den Werkstätten im Kabelweg also nicht an der Tagesordnung. „Wir schleifen Werkzeuge, wenn der Werkstoff so hart ist, dass nicht mehr gebohrt oder gefräst werden kann und das in einer tausendstel Genauigkeit“, erklärt Stefan Seidel das Arbeitsspektrum, wozu auch die Sonderanfertigung von Werkzeugen gehört.
„Dann fertigen wir aus einem Standardwerkzeug ein ganz spezielles.“ Die Spannbreite dabei ist groß. „Wir können Werkzeuge bearbeiten, die kleiner als einen Millimeter sind, können aber auch Teile bis vier Meter Länge schleifen“, so Seidel.
Der Firmenchef ist stolz auf seine kleine Mannschaft, auf die er sich hundertprozentig verlassen könne, wie er betont. Volle Auftragsbücher sind beredter Beweis dafür, dass nicht nur der Chef für seine Arbeit brennt.
„Wir tüfteln und probieren so lange, bis wir eine Lösung haben“
„90 Prozent der holz- und metallverarbeitenden Firmen aus der Region sind meine Kunden“, berichtet Seidel. Den Umsatz hat er in den neun Jahren, in denen er die Firma führt, verfünffacht.
Aus gutem Grund, denn ein „geht nicht“ gibt es für den Feinmechanikermeister Stefan Seidel nicht. „Wir tüfteln und probieren so lange, bis wir eine Lösung haben.“ Ist die gefunden, hält der Kunde nach ein bis zwei Werktagen sein gewünschtes Werkzeug oder Bauteil in der Hand.
Den Mitarbeitern „zur Seite stehen“ 24 Maschinen, von der konventionellen Werkzeugschleifmaschine bis zur modernsten CNC-Technik. Wobei Stefan Seidel auf die konventionellen Maschinen nichts kommen lässt.
„Sie sind unheimlich flexibel einsetzbar, können für alles umgebaut werden und arbeiten trotzdem auf das Hundertstel genau.“
Wenn Firmenurgestein Rainer Roßdorf seinen letzten Auftrag abgearbeitet hat, wird er den Firmenschlüssel abgeben. Wie es sein wird, nicht mehr jeden Tag halb sieben im Betrieb zu sein, das weiß er noch nicht. „Aber irgendwann muss ja mal Schluss sein.“ Und wenn er mal gebraucht werde, dann komme er. (mz)

