Auf alle Fälle sicher Wegen der Trockenheit wird das Umlegen von Bäumen für Forstarbeiter immer gefährlicher
In einem Lehrgang lernen sie, worauf es ankommt.

Dessau/MZ - Der Wald ist gefährlich. Nicht so, wie in alten Märchen, weil man in ihm von Hexen gefangen genommen oder von Wolf gefressen würde. Sondern weil in zehn eher nördlich liegenden Bundesländern pro Jahr um die 30 Menschen von herabfallenden Ästen oder stürzenden Bäumen tödlich verletzt werden.
Christian Lüschow steht am Rand der Oranienbaumer Heide unweit des Dessauer Freibades Adria. Hinter sich: Bäume, viele und insbesondere die Eichen in einem jammervollen Zustand. Vor sich: 50 Männer und Frauen, in neonorange oder -gelb, Helme auf dem Kopf, Forstspezialisten auf die eine oder andere Art. Ihnen soll eine neue Fälltechnik vorgestellt werden, die mehr Sicherheit verspricht.
Die meisten Opfer fordere das „motormanuelle Arbeiten“
Lüschow arbeitet für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und kennt die Zahlen: 5.000 Unfälle und eben 27 bis 37 Tote. Die meisten Opfer, erklärt er, fordere das „motormanuelle Arbeiten“. Zu deutsch: Das Bäumefällen mit der Motorsäge.
Das ist gefährlicher geworden, seitdem Hitze, Trockenheit, Schädlingsbefall und Stürme den Wäldern selbst für Laien erkennbar zusetzen. Maik Emmerich, Leiter des sich von Oranienbaum bis Marke entlang der A9 erstreckenden Reviers: „Durch manche Bestände sind wir schon zwei Mal gegangen, auch drei Mal.“ Und jedes Mal fanden sich neue Bäume, die es anders als gehofft doch nicht geschafft haben. Spätestens wenn die Baumleichen an Wegen und Straßen stehen, müssen sie weg; das Risiko, dass sie als Ganzes umfallen oder Äste abbrechen, ist einfach zu groß.

Früher haben Waldarbeiter das zusätzliche Risiko beim Fällen toter Bäume auf sich genommen. Um den Baum umzulegen, mussten sie bis zuletzt in dessen unmittelbarer Nähe stehen. Heute gilt: Weg vom Baum bevor der fällt. Lüschow, in seiner Freizeit selbst Kettensägeführer, empfiehlt zehn bis zwölf Meter „Rückweiche“.
Diese „Harvester“ fällen und entasten den Stamm und ihr Fahrer sitzt gut geschützt in einer Kabine
Oftmals wird die riskante Arbeit heute von Maschinen übernommen. Diese „Harvester“ fällen und entasten den Stamm und ihr Fahrer sitzt gut geschützt in einer Kabine.
Ist der Stamm aber zu dick, und zu dick heißt hier bereits mehr als 50, 60 Zentimeter im Durchmesser, müssen Leute wie Robin Ettlich ran. Seit sieben Jahren arbeitet er beim Forst- und Umweltdienst Burkhard Schröter im Coswiger Ortsteil Düben. Vor den Augen von Kollegen und Gästen setzt er am Mittwoch die Säge an eine abgestorbene Eiche an. Die Schnitte werden so geführt, dass der Baum nicht vorzeitig umkippen kann - erst wenn Ettlich in die „Rückweiche“ gegangen ist, stößt der Harvester die Eiche um, die er zuvor mit seinen Greifklauen gehalten hat.

„Wäre was schiefgegangen, hätte es Probleme gegeben“
Die „motormanuelle Fällung mit Kranunterstützung“ (MFK) ist keineswegs neu, Schröter hat sie in seinem Betrieb seit längerer Zeit praktiziert und bewegte sich dabei im Graubereich. „Wäre was schiefgegangen, hätte es Probleme gegeben.“
Es ging nichts schief, und seit einigen Monaten ist die MFK-Methode von den zuständigen Gremien offiziell anerkannt und in speziellen Fällen ausdrücklich empfohlen. Das „K“ für Kran in der Bezeichnung ist für Laien etwas irritierend, gemeint ist meistens ein Harvester, der ab Werk über die erforderliche Ausstattung verfügt.

Nachdem sie zwei weitere Eichen gemeinsam gefällt haben, plaudern Ettlich und Kraft neben dem Harvester stehend mit Kollegen. Beide sind zu jung, um die alte Weisheit von Waldarbeitern verinnerlicht zu haben, man laufe beim Baumfällen nicht vor der Arbeit weg und bleibe heldenhaft neben dem stürzenden Baum stehen, und koste es das eigene Leben. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine findet Ettlich „super“, und Kraft pflichtet ihm bei.