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Fast 100 Euro pro Kubikmeter Wasser Vor allem DWG-Mieter in Dessau betroffen: Hohe Nebenkosten bei hohem Leerstand

Von Thomas Steinberg 28.03.2019, 06:00
Wenn immer weniger Mieter in den Häusern wohnen, müssen die verbliebenen oft mit mehr Kosten für Warmwasser rechnen.
Wenn immer weniger Mieter in den Häusern wohnen, müssen die verbliebenen oft mit mehr Kosten für Warmwasser rechnen. dpa

Dessau - Es gibt keine Nachbarn mehr. Überhaupt keine. Nicht im Aufgang, in dem die alte Dame wohnt, nicht in den anderen Aufgängen des fünfgeschossigen Plattenbaus in Dessau-Roßlau. Die alte Dame, deren Name und Adresse ihrer Sicherheit zuliebe nicht genannt werden sollen, lebt alleine in einem viel zu großen Haus – und bezahlt viel dafür. Nämlich 150 Euro für 1,55 Kubikmeter Warmwasser. Macht pro Kubikmeter knapp 97 Euro.

Üblich wären Summen zwischen 5 und 10 Euro pro Kubikmeter bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 9 bis 20 Kubikmeter pro Jahr. Das heißt: Selbst Leute, bei denen sehr oft warmes Wasser aus dem Hahn läuft, zahlen oft deutlich weniger als die Mieterin im Beispiel mit ihrem minimalen Verbrauch.

Stefan Richter kennt das Problem. Er ist Anwalt und stellvertretender Vorsitzender des Mietervereins Dessau und Umgebung. Nach seiner Beobachtung häufen sich die Fälle, in denen Mieter wesentlich höhere Summen für den Warmwasserverbrauch zahlen.

Juristisch gibt es bei dieser Form der Warmwasserkosten-Abrechnung kein Entkommen

Um die Ursache dieses Effekts zu verstehen, muss man zwei Aspekte betrachten. Zunächst den technischen: Damit Warmwasser tatsächlich aus dem Hahn fließt, wenn es gewünscht und gebraucht wird, muss bei größeren Anlagen das Wasser ständig auf Betriebstemperatur gehalten werden und durch die Leitungen vom Erdgeschoss bis in die oberste Etage zirkulieren. Außerdem verhindert nur eine Wassertemperatur von über 60 Grad Legionellen.

Dazu tritt ein juristischer Aspekt: Der verbirgt sich in der Heizkostenverordnung. Nach dieser werden 50 bis 70 Prozent der Kosten nach Verbrauch eines jeden Mieters abgerechnet, die übrigen nach Wohnungsgröße verteilt. Bei einem voll vermieteten Haus mag das Modell halbwegs für Fairness sorgen. Genau die gegenteilige Wirkung entfaltet die Regelung bei beinahe leerstehenden Gebäuden. Dann trifft es Mieter durch den Stand-By-Betrieb der Warmwasseranlage bei den verbrauchsabhängigen Kosten.

Juristisch gibt es kein Entkommen. Vor Jahren schon hat der Bundesgerichtshof verbindlich und nachvollziehbar entschieden: Die Heizkostenverordnung gilt. Der Fairness halber könnte es angemessen sein, dass bei „leerstandsbedingten Kostenverschiebungen“ das „Prinzip Treu und Glauben“ greift und der Vermieter (auf eigene Kosten) dem Mieter entgegen kommen müsse.

In Dessau-Roßlau sind vor allem Mieter der DWG mit exorbitanten Warmwasserkosten konfrontiert

In Dessau-Roßlau sind vor allem Mieter der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft (DWG) mit exorbitanten Warmwasserkosten konfrontiert, weil der stadteigene Vermieter die Hauptlast des Stadtumbaus trägt. Und es zeigt sich: Nicht jeder Block ist von heute auf morgen „leergezogen“.

Von Einzelfällen, spricht die DWG auf Anfrage der MZ, absolute Zahlen nennt sie nicht, wohl aber Prozente, so dass sich denn doch die Zahl der betroffenen Mieter auf etwa zwei Dutzend berechnen lässt.

Und, heißt es weiter bei der DWG, man suche nach Lösungen. Technische Alternativen, etwa der Ersatz einer zentralen Warmwasserversorgung durch Boiler in der Wohnung, scheiterten aber häufig an zu schwachen Elektroleitungen oder fehlendem Platz.

Der Mieterverein Dessau hält die Aktivitäten der DWG für unzureichend

Das teilweise Abklemmen von Versorgungssträngen ginge nicht ohne Nebenwirkungen. Zudem spreche man mit den Mietern wegen eventueller Kostenerstattungen oder eines Umzugs „in eine vom Mietpreis, Schnitt und Größe vergleichbare Wohnung“. Dazu seien jedoch nicht alle Mieter bereit.

Der Mieterverein Dessau hält die Aktivitäten der DWG für unzureichend. Aber selbst dessen Vorsitzende Gabriele Perl räumt ein: „Niemand weiß so richtig, wie man das Problem lösen kann.“ Sie kritisiert vor allem das Umzugsmanagement des Wohnungsunternehmens, bezeichnet es als „Mietererhaltungsprogramm“, bei dem auch die finanziellen Möglichkeiten der Mieter zu wenig berücksichtigt würden. (mz)