Visionen um vergessene Kulturstätte
Dessau/MZ. - "Kristallpalast - Kultur- und Kongresszentrum für Dessau" lautet der Titel der wissenschaftlichen Arbeit, mit welcher der einstige Student der Bauhaus-Universität Weimar sein Studium mit Bravour abschloss.
Natürlich hätte er auch ein von den Professoren vorgegebenes Diplomthema wählen können, was sicher einfacher gewesen wäre, als das Vermessen und Fotografieren eines verwahrlosten, vermüllten Grundstückes in der Zerbster Straße. "Aber ich bin in Dessau geboren und in der Bauhausstadt verwurzelt. Deshalb wollte ich unbedingt auch ein Dessauer Projekt für meine Diplomarbeit", sagt der junge Mann.
Mit Bevölkerungsrückgang und Abriss drohe der Stadt ein Identitätsverlust, stellt Frohnsdorf in seiner Arbeit fest. Umso wichtiger sei die Rückbesinnung auf ein städtisches Zentrum mit einem "soliden funktionalen Kern". Der Kristallpalast sei ein solches prägendes Objekt in der Innenstadt. Zudem fehle der Stadt ein Saal für 200 bis 300 Leute. "Das Gebäude wird jedoch stiefmütterlich behandelt und bietet ein grauenvolles Bild", so Frohnsdorf.
Dem Student gelang es, seine Professorin Hildegard Barz-Malfatti, eine bekannte Stadtplanerin, für das etwas ausgefallene Thema zu begeistern und so konnte er mit der Arbeit beginnen.
Das einst wunderschöne Gebäude kannte Stefan Frohnsdorf nur aus Erzählungen. "Fast jeder ältere Dessauer hat eine Beziehung zum Kristallpalast, hat dort gefeiert, getanzt und Veranstaltungen besucht", hat er erfahren. Schon deshalb hält er es für falsch, an dieser Stelle in der Zerbster Straße ein Geschäftshaus zu errichten. "Es sollte wieder ein kultureller Ort werden", fordert er in seiner Diplomarbeit. Das prachtvolle Gebäude in alter Schönheit wieder aufzubauen, wie sich das die meisten Dessau-Roßlauer wohl wünschen, hält freilich auch Stefan Frohnsdorf angesichts des heutigen Zustandes für illusorisch. Seinen Geist jedoch, das kulturelle Leben im Zentrum der Stadt, würde er schon gern wieder aufleben lassen.
Hauptsächlich solle die klassizistische Fassade, ein Werk des Architekten Friedrich Wilhelm Freiherr von Erdmannsdorff (1736-1800), erhalten bleiben, erfuhr der Student bei der Denkmalpflege-Behörde. "Bei den wenigen erhaltenen historischen Bauten in der Stadt wäre es eine Schande, wenn man die auch noch wegreißen würde", meint Frohnsdorf. Er hat sich dann mit der Geschichte des Gebäudes befasst, die Ruine von außen und innen fotografiert, die Umgebung mit Geschäftsstraße, Palais Dietrich, Liborius-Gymnasium und Parkhaus analysiert und sich schließlich mit der Planung befasst. Die nimmt die historische Fassade zum Ausgangspunkt. Drei Etagen sieht sein Plan für den neuen Kristallpalast vor sowie überdachte Höfe mit Café und Skulpturen, ein Restaurant und ein Kongresszentrum. Der Clou aber ist ein vielfältig nutzbarer Saal mit variabel zu platzierender Bühne, die von den Künstlern über Hubpodeste vom Keller aus betreten wird.
Ob der Wiederaufbau des Kristallpalastes in der von ihm projektierten Form nun 50 oder 100 Millionen Euro kosten würde, vermag Stefan Frohnsdorf nicht zu sagen. Eine Kalkulation gehörte nicht zu den Aufgaben. "Wir hatten an der Weimarer Uni große Freiheit, unsere Visionen darzustellen", erklärt der Absolvent. Wie seine Professoren in Weimar, die schon viele städtebauliche Projekte verwirklicht haben, muss aber auch er nun als frisch gebackener Architekt und Mitarbeiter eines renommierten Planungsbüros in Halle sich täglich mit finanziellen Vorgaben auseinander setzen. So ist er sich fast sicher, dass sein Diplom-Projekt Kristallpalast in dieser Form wohl vorerst eine Vision bleiben wird. Aber vielleicht, so meint der junge Mann, hat er mit seiner dreimonatigen Arbeit die Aufmerksamkeit wieder auf dieses Gebäude gelenkt.
Die Arbeit im Internet unter www.baunetz.de
- Rubrik "Diplom der Woche".