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Unfall bei Dreharbeiten in Roßlau Unfall bei Dreharbeiten in Roßlau: Raymond Schulz hat noch mal Glück gehabt

Von Annette Gens 16.06.2014, 12:08
Vor dem Unfall: Raymond Schulz hat die Statisten geschminkt. Später traf ihn eine Filmhandgranate im Gesicht.
Vor dem Unfall: Raymond Schulz hat die Statisten geschminkt. Später traf ihn eine Filmhandgranate im Gesicht. steffen dörre Lizenz

köthen/rosslau/MZ - Der bizarre Zeitsprung von mehr als 60 Jahren hatte ein jähes Ende. Es war die 6. und damit letzte Szene, die auf dem Gelände des Roßlauer Schießclubs in „den Kasten“ geholt werden sollte: Russen stürmen ein Feldlager der Wehrmacht. Die Soldaten der Roten Arme sollten vom Waldstück aus auf eine Lichtung zulaufen. Einer schaffte das nicht ganz. Kurz vor Ende des Drehs landete eine Filmhandgranate mitten im Gesicht von Raymond Schulz, Chef des Fördervereins für Sanitätswesen Köthen. „Einen Augenblick dachte ich, mein Kopf fliegt weg“, erinnert sich der Köthener, der am Sonnabend viele Rollen einnahm und am Ende riesengroßes Glück hatte.

"Nichts fliegt durch die Luft"

Über 50 Komparsen hatte Schulz mit seinem Sanitätsverein für den Dreh realistische Wunden verpasst. Egal, ob ein blutiger Arm in der Schlinge, ein verschmutzter Kopfverband, schwere Gesichtsverbrennungen oder ein Granatsplitter in der Brust - die Köthener machten ihren Job darüber hinaus im Feldlager, um die Filmcrew mit Essen zu versorgen. Als dann noch ein Russe gebraucht wurde, schlüpfte Schulz in die Uniform. Und seit eine Filmhandgranate sein Gesicht traf und ihm neben einem Nasenbeinbruch eine Platzwunde bescherte, sinniert er über Schuld und Unschuld nach.

Der Kameramann Heintje Peter aus Plauen arbeitet hauptberuflich für TV-Sender wie RTL, Pro 7, VOX im Bereich der Werbung und Imagefilme. Unter anderem drehte er für Vox für die Sendereihe „Auf und davon“, er war mit Daniela Katzenberger unterwegs, begleitete eine Zeit lang Jürgen Drews beim Hausbau.

Mit seiner eigenen Firma Peter-Filmproduktion widmet er sich nebenberuflich regionalen geschichtlichen Themen. In mehreren Filmen arbeitete er das Ende des Zweiten Weltkriegs im Vogtland auf. Nach „Der 9. Mai 1945 im Vogtland - 4000 Soldaten gehen in Gefangenschaft“ und „Das Kriegsende im Vogtland“ weitete er den dritten Film der Reihe auf das gesamte Erzgebirge aus.

Sein neues Filmprojekt erzählt die Geschichte des heute über 90-jährigen Helmut Böttger aus Plauen. Als junger Mensch hatte er sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Er erlebte den Krieg an der Ostfront. Desillusioniert kam Böttger aus der amerikanischen Gefangenschaft zurück in die Heimat.

„Unschuldig ist der Veranstalter, der klare Ansagen machte“ und seine Crew - Amateurdarsteller aus der halben Bundesrepublik - belehrt hatte: Außer einer Drohne (samt Kamera für Filmaufnahmen) fliegt nichts durch die Luft. Unschuldig sei er, Schulz, weil er „sich an die Anweisungen des Veranstalters gehalten“ habe. „Es muss jemanden geben, der sich nicht an die Spielregeln hielt und die Filmhandgranate warf. In der Folge musste Schulz ins Krankenhaus. Ein für Sonntag in Köthen geplanter Drehtag, bei dem Schulz einer der Hauptakteure sein sollte, musste ausfallen.

In Zeitprobleme gerät das Plauener Filmprojekt deswegen nicht. Der Film mit den Drehs in Roßlau und Köthen soll Ende 2015 vorliegen. Regisseur und Kameramann Heintje Peter (Plauen) stellt darin die Geschichte eines jungen Mannes aus dem Vogtland nach, der an Hitlers Propaganda geglaubt und sich 1941 freiwillig zur Wehrmacht gemeldet hatte.

Seite 2: Geschichte eines Zeitzeugen

Geschichte eines Zeitzeugen

„Der heute über 90-jährige Helmut Böttger wurde an die Ostfront geschickt, wo er 1942 von einem Schuss im Schulterbereich getroffen wurde“, schildert Peter. Nach Lazarett und Heimaturlaub kommt er zwei Monate später an die Ostfront zurück. Der junge Soldat ist desillusioniert, beginnt über Hitlers Wahnsinn nachzudenken. Ein Entrinnen gibt es nicht. Böttgers Odyssee endet in amerikanischer Gefangenschaft auf den Wiesen am Rhein, aus der er 1946 entlassen wird.

Die Geschichte seines Zeitzeugen habe ihn sehr beeindruckt, sagt Peter, weshalb er seinen ersten Spielfilm dreht. Zugute kommt dem Plauener Kameramann dabei seine Vorarbeit aus vergangenen Jahren, hat er doch in amerikanischen Archiven - unter anderem der Steven Spielberg-Stiftung - in dem Fundes der US-Army recherchiert. Peters profundes Wissen ist bereits in mehrere von ihm produzierte Dokumentationen eingeflossen, die seit 2011 als DVD erschienen sind. Auch dafür hat er bereits Spielszenen nachgedreht. Er nennt das „Living History“ - lebendige Geschichte.

Diese hatte sich nun auch am Sonnabend auf dem Gelände des Roßlauer Schießvereins breitgemacht. Viele Zelte hatten sich die Statisten aufgebaut. Manche von ihnen stellten eigene, originalgetreue Fahrzeuge für die Drehs zur Verfügung. Auch der Militärhistorische Verein in Roßlau half am Sonnabend mit Statisten und historischem Material aus. Das, was man auf dem Schießplatz sah, war ein riesiger logistischer Aufwand, der gestemmt werden musste. Dass am Ende nicht nur Filmblut floss, bedauert der Plauener Filmemacher sehr.

„In drei Wochen wird der geplante Dreh in Köthen nachgeholt“, sagt Peter. Dann hält Schulz das Skalpell in einem nachgestellten Feldlazarett in der Hand - falls es ihm dann bessergeht.

Über 50 Amateure aus halb Deutschland spielten am Sonnabend im Film mit. Teils brachten sie originalgetreue Fahrzeuge aus dem Krieg mit.
Über 50 Amateure aus halb Deutschland spielten am Sonnabend im Film mit. Teils brachten sie originalgetreue Fahrzeuge aus dem Krieg mit.
Sebastian Lizenz
Der Hauptdarsteller.
Der Hauptdarsteller.
Sebastian Lizenz
Im Film-Lazarett.
Im Film-Lazarett.
Sebastian Lizenz