Streit um Zentimeter Umweltbundesamt in Dessau: Verzögerung bei Millionen-Neubau

Dessau-Roßlau - Beim ökologischen Vorzeigeprojekt des Umweltbundesamtes (Uba) in Dessau ist es zum Stillstand gekommen: Der Erweiterungsbau kann auf unbestimmte Zeit nicht bezogen werden. Hintergrund ist ein Streit um die Stärke der Fassaden-Dämmung. An neuralgischen Bereichen fehlen drei Zentimeter.
Die Baufirma erfüllt dadurch die Vorgaben für das ambitionierte Plus-Energie-Haus nicht, Planer wollen indes keine Abstriche machen. Zwischen Architekt und Unternehmen ist die Situation inzwischen so verfahren, dass sich jetzt ein Gericht mit dem Fall befasst. Ein Gutachter soll eingeschaltet werden. Wann der 13,5-Millionen-Euro-Bau schließlich eröffnet werden kann, ist derzeit völlig unklar. Die Arbeiten an der Fassade sind abgebrochen worden.
Umweltbundesamt: Knackpunkt sind die Fenster
„Es ist ein gordischer Knoten. Traurig und unschön für das Umweltbundesamt und die Mitarbeiter, aber wir können jetzt nur abwarten“, sagt Tilo Herzig, Leiter der Liegenschaftsbewirtschaftung im Uba. Die Behörde selbst sei in diesem Streit nur „Zuschauer“.
Bauherr ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Betreuung des Projekts liegt beim Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt. Sie hatten lange versucht, eine Einigung zwischen Planer und Baufirma, einer Firma aus Mitteldeutschland, herzustellen. Ohne Erfolg. „Wir wollen keine Schuldzuweisungen. Fakt ist aber, dass es keine Annäherung gibt. Klären kann das jetzt nur ein externer Gutachter.“
Die Stärke der Dämmung ist das Problem. Der Knackpunkt sind dabei die so genannten „runden Ecken“ des Gebäudes. Durch die Wölbung gibt es Bereiche, an denen die nötige Dicke des Dämmstoffs Steinwolle nicht erreicht wird. Es fehlen zum Teil drei Zentimeter. Sichtbar wird das vor allem an den Fensterbereichen. Herzig räumt aber auch ein: „Der Einbau an diesen runden Ecken ist sehr kompliziert. Schon planerisch ist das eine Herausforderung.
Vor Ort ist es nicht einfacher.“ Gefordert war eine 28 Zentimeter starke Dämmung für das gesamte Haus. „Weniger darf es für eine positive Energiebilanz an keiner Stelle sein“, sagt Herzig. Der Erweiterungsbau sei ein hochkomplexes Projekt mit anspruchsvollen Zielen. „Wenn wir die erreichen wollen, kann es keine Defizite in der Dämmung geben“, so Herzig. „Wir haben ein hochwertiges Haus bestellt und das wollen wir haben.“ Auch eine Art Stopfdämmung - also die betreffenden Bereiche nachträglich aufzufüllen - würde die Energiebilanz beeinträchtigen.
Behördengebäude als ökologisches Pilotprojekt konzipiert
Das neue Behördengebäude hat das Umweltbundesamt mit knapp 1.000 Mitarbeitern in Dessau als ökologisches Pilotprojekt konzipiert: Das Plus-Energie-Haus neben dem bestehenden Haupthaus soll mit Hilfe von Photovoltaikanlagen und Erdwärme mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Überschüssiger Strom soll auch für das Hauptgebäude genutzt werden.
Im April 2017 war der Grundstein gelegt worden. Auf vier Etagen entsteht Platz für rund 110 Büroarbeitsplätze und Konferenzräume. Grund für den Neubau ist Platzmangel: Das Uba hatte in den vergangenen Jahren mehr Aufgaben übertragen bekommen und neue Mitarbeiter eingestellt. Beschäftigte sind derzeit auch in angemieteten Büros im Fürst-Leopold-Carrée untergebracht. Für Juni 2018 war der Umzug in den Erweiterungsbau geplant.
Gutachter muss feststellen, bei wem der Fehler liegt
Die Probleme auf der Baustelle deuteten sich im Herbst 2017 an. Als dann die strittigen Dämm-Bereiche am Fenster an der Reihe waren, gab es die ersten Schwierigkeiten. Weil es keine Einigung gab, beantragte das Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt am Amtsgericht Dessau vor wenigen Wochen ein sogenanntes selbstständiges Beweisverfahren. „Ein Gutachter muss feststellen, bei wem der Fehler liegt, wie das Problem gelöst wird und wer letztlich auch die Kosten dafür trägt. Es geht um viel Geld“, sagt Herzig. Inzwischen ist zudem ein Teil der Dämmung durch den feuchten Winter durchnässt worden.
„Wir hoffen, dass schnellstmöglich ein Experte benannt wird.“ Das könnte im Herbst der Fall sein. Der Gutachter muss dann zunächst das Gesamtprojekt begutachten. Parallel liefen noch Gespräche zwischen beiden Parteien, so Herzig. „Jetzt geht der Innenausbau weiter, auch die Außenanlagen werden weitgehend fertiggestellt. Bei allem anderen steht im Moment aber ein großes Fragezeichen.“ (mz)