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Schnelle Integration in Dessau Ukrainer sitzt im Boot: Vasiliy Fisunov ist aus Charkiw geflohen und nimmt spontan an Paddel-Rennen teil

Erst seit dem 8. März lebt Fisunov in Dessau-Roßlau. Geflohen ist er mit einer Tochter und einer Enkelin aus der stark umkämpften Stadt Charkiw. Am Wochenende fand sein erster Wettkampf statt.

Von Thomas Steinberg Aktualisiert: 23.03.2022, 10:45
Vasiliy Fisunov aus der Ukraine (vorn) und Heiko Schrenner nach der Berg- und Talrallye am vergangenen Wochenende. Die Junkers-Paddelgemeinschaft hatte zum anstrengenden Wettkampf auf die Elbe geladen.
Vasiliy Fisunov aus der Ukraine (vorn) und Heiko Schrenner nach der Berg- und Talrallye am vergangenen Wochenende. Die Junkers-Paddelgemeinschaft hatte zum anstrengenden Wettkampf auf die Elbe geladen. (Foto: Thomas Steinberg)

Dessau/MZ - Vasiliy Fisunov erzählt und erzählt, wischt auf dem Handy, um Bilder zu zeigen, lacht. Aus seinem Wortschwall ist häufig das Wort Baidarka herauszuhören – russisch für Kanu. Geht es ums Paddeln, vergisst Fisunov, 63 Jahre, das Elend in seiner Heimat Ukraine für kurze Zeit.

Am Sonnabend startete er im Zweier bei der zehnten Berg- und Talrallye der Junkers Paddelgemeinschaft, einem Marathonrennen über mehr als 30 Kilometer auf der Elbe.

Erst seit dem 8. März lebt Fisunov in Dessau-Roßlau. Geflohen ist er mit einer Tochter und einer Enkelin aus der stark umkämpften Stadt Charkiw. Von den mehr als 1,4 Millionen Einwohnern sollen seit Putins Überfall zwei Drittel die zweitgrößte Stadt der Ukraine verlassen haben.

Die Kommunikation mit dem Russisch sprechenden Fisunov lief über ein Übersetzungsprogramm

In Charkiw ist Vasiliy Fisunov aufgewachsen, kam in seiner Jugendzeit zum Paddeln. Ohne diesen Wassersport geht es bei ihm nicht, und so erkundigte er sich nur Tage nach seiner Ankunft beim Deutschunterricht nach einem Kanuverein. Vermittelt von einer Mitarbeiterin im Übergangswohnheim kontaktierte er Junkers-Kanuten-Chef Heiko Schrenner.

Die Kommunikation mit dem Russisch sprechenden Fisunov lief über ein Übersetzungsprogramm. Schrenner grinst: „Keine Ahnung, was da angekommen ist, aber es hat irgendwie geklappt.“ Denn nur einen Tag später stand der Ukrainer vorm Bootshaus am Leopoldshafen, um mit einem Vereinsboot am Freitag eine Runde auf der Elbe zu drehen. Der Sport ist für ihn mehr als nur ein beliebiges Hobby. „Ohne Wasser zum Paddeln kann ich mir das Leben nicht vorstellen“, sagt er. Gerade nach der Flucht bringt ihn die Zeit auf dem Wasser auf andere Gedanken.

Vorerst würde Vasiliy Fisunov gern in Dessau-Roßlau bleiben

Der Fluss überraschte ihn. Durch Charkiw fließt der Lopan, in den der Charkiw mündet. Beide Flüsse fließen ruhig und mit wenig Strömung dahin. Die Elbe, beileibe kein Wildwasser, wirkt dagegen fast ruppig. Die Berg- und Talrallye hielt für Fisunov eine weitere Herausforderung parat: Aus dem Rennsport kommend war er noch nie mehr als zehn Kilometer am Stück gepaddelt. Nun sollten es mehr als 30 sein, im Zweier zwar, anstrengend war es für den Wassersportler dennoch.

Bei knapp unter drei Stunden blieb für Heiko Schrenner und Vasiliy Fisunov die Stoppuhr stehen, eine sehr solide Zeit, wenn man bedenkt, dass Gelegenheitspaddler für die halbe Strecke stromab locker zwei Stunden und mehr benötigen.

Wie es nun für ihn weitergeht? Vorerst würde Vasiliy Fisunov gern in Dessau-Roßlau bleiben. Seinen Verwandten hat er von den beiden Flüssen hier erzählt. Dann, meinten die, sei ja alles gut.