Tourismus Tourismus: Was geht "App" in Dessau?

DESSAU/MZ - Es war im vorigen Jahrzehnt, als der „Stern“ in schöner Regelmäßigkeit nach den zufriedensten Deutschen suchte. Gefunden wurden diese in Münster und Osnabrück. Fast neun von zehn Bewohnern dieser Städte fühlten sich dort wohl. In Dessau fehlte den meisten dieser „Wohlfühlfaktor“. Nur rund jeder Vierte war zufrieden mit dem Leben zwischen Gartenreich und Bauhaus. Mit dem Altmarkkreis Stendal stritten sich die Muldestädter - statistisch gesehen - regelmäßig um diese zweifelhafte rote Laterne.
Vor zwei Jahren aber drehten Studenten im Fachbereich Design an der Hochschule Anhalt den Spieß einfach um und fragten nach Gründen, Dessau zu lieben. Innerhalb kurzer Zeit kamen in der Aktion „We love Dessau“ mehr als 1.000 Begründungen heraus. Eine Ausstellung im Rathaus-Center folgte, einige Souvenirs wurden gefertigt. Danach war es still geworden um das Projekt. Bis im vorigen Wintersemester drei zukünftige Designer die Idee wieder aus der Schublade holten.
"Das ist austauschbar und trifft auf jede Stadt zu"
„Wir haben uns überlegt, wie wir die gesammelten Gründe sinnvoll auswerten und zu einem neuen Produkt weiterentwickeln können“, erläutert Alexander Lech. Mit seinen Kommilitonen Eszter Nagy und Jakob Wolf aus dem internationalen Masterstudiengang Design entwickelte Lech eine „I love Dessau“-App. „Es ist ein persönlicher virtueller Stadtführer für Besucher und Einheimische“, erläutert Lech die Idee. Für ihr Konzept haben die Studenten die über 1 000 Gründe noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Viele persönliche Argumente für Dessau wie Familie, Freunde und Zuhause waren genannt worden. „Das ist austauschbar und trifft auf jede Stadt zu“, so der Student. Spezifischer wurde es da schon bei den ortsbezogenen Gründen. Bauhaus, Gartenreich und Junkers-Museum waren häufige Nennungen. „Das ist für diese Stadt einmalig und bietet zum Beispiel Dresden nicht.“
Reiseführer und Broschüren des hiesigen Tourismusamtes haben sich auf diese Themen spezialisiert. Dumm nur, dass die touristischen Potenziale damit nicht voll ausgeschöpft werden. „Gartenreich-Touristen kommen oft nicht nach Dessau rein. Bauhaus-Touristen bleiben im Schnitt zwei Stunden und zehn Minuten in der Stadt“, haben Lech und seine Mitstreiter herausgefunden. Der gefühlt hundertste Reiseführer, der die Muldestadt mit dem Schwerpunkt Bauhaus bewirbt, sollte ganz bewusst nicht entstehen. Die Aktion „We love Dessau“ hatte auch andere Gründe parat, länger als nur ein paar Stunden und stattdessen manchmal Monate, Jahre oder ein ganzes Leben hier zu verweilen.
"Das sind Infos, die stehen in kaum einem anderen Reiseführer"
Nur fünf Minuten von Park zu Park, das Seil am Baum am Kühnauer See, der Bauhausclub mit internationalem Flair, die Grillzellen auf den Verkehrsinseln in Dessau-Nord. „Das sind Infos, die stehen in kaum einem anderen Reiseführer“, ist der 31-Jährige überzeugt. In Interviews fanden er und seine Kommilitonen heraus, dass gerade junge Menschen einen großen Bedarf an solchen Insider-Informationen haben. Erst zum Ende des Studiums hatte beispielsweise eine englische Architektin den Räucherturm als ideale Aussichtsplattform entdeckt. Mit der Smartphone-App werden solche Geheimtipps nun schneller entdeckt.
Die App soll einen Stadtplan und Menüs zu Radtouren, Nachtleben, Kultur, Gastronomie sowie Shopping und Neuigkeiten beinhalten. Alles mit persönlichen Statements, damit jeder für sich rausfinden kann, wo es den besten Kartoffelsalat, das leckerste Eis, die atemberaubendste Aussicht, das unterhaltsamste Feierabendprogramm und Kuchen wie bei Muttern gibt.
Das Konzept steht. Programmierer sind gefunden. Jetzt braucht es nur noch Sponsoren, die die Umsetzung finanzieren. „Auch in anderen Städten wird an solch einer App gearbeitet“, weiß Lech. Manche seien an der Unübersichtlichkeit und der Datenmenge gescheitert. „Dessau ist genau richtig dafür.“ Und wenn alles ganz schnell geht, könnte die Stadt glatt ein Trendsetter werden.