Thießen Thießen: Empfehlung aus Dubrovnik
Roßlau/MZ. - Was gibt es Neues im Dorf, welche Veränderungen wird es in diesem Jahr geben? Mit mehreren Fragen an die Bürgermeister in den Verwaltungsgemeinschaften Rosseltal bzw. Coswig hat sich MZ-Redakteurin Heidi Thiemann gewandt. Heute steht Günther Lutze, Bürgermeister aus Thießen, Rede und Antwort.
Wenn Sie an das vergangene Jahr denken, was hat sich da in Ihrem Ort am meisten verändert? Worüber haben Sie sich gefreut?
Lutze: Das Hauptereignis war im vorigen Jahr die 700-Jahr-Feier von Thießen. Langfristig vorbereitet, wurde drei Tage lang viel auf die Beine gestellt, vom Umzug bis zum Hubschrauberrundflug. Mit dem Ortsfest zusammen haben wir auch das 90. Jubiläum der Feuerwehr begangen. Auch 80 Jahre Bahnhof Thießen wären ein Anlass zum Feiern gewesen, doch das haben wir zum 75. Jubiläum gemacht.
Verändert hat sich im vorigen Jahr in Thießen und dem Ortsteil Luko nicht viel. Von den Investitionen her war es fast ein Null-Jahr, mehrmals musste der Haushalt beschlossen werden und war erst im Dezember genehmigt.
Worüber haben Sie sich geärgert?
Lutze: Seit fünf Jahren haben wir in Thießen einen Sportverein. Er ist ein kleines Sorgenkind, denn er hat sich leider nicht so entwickelt, wie wir das gedacht haben. Wir haben eine Sportanlage mit einem Sportlerheim geschaffen. Zwar wird sie mittlerweile sehr gut angenommen, aber das Problem ist, die jungen Leute ziehen weg - der Arbeit hinterher. Und das ist insgesamt traurig für die Gemeinde und ihre Entwicklung.
Sorgen bereiten mir auch die Geschossbauten am Ortseingang von Thießen. Sie geben ein unschönes Bild ab. Die Mehrzahl der Wohnungen ist leer. Ärgerlich ist, dass mit den verantwortlichen Leuten keine Kommunikation möglich ist.
Welche Vorhaben sollen in diesem Jahr in Ihrer Gemeinde verwirklicht bzw. fortgesetzt werden?
Lutze: In den letzten zwölf Jahren hat sich bei uns sichtbar etwas getan - Straßen wurden instand gesetzt, erneuert, auch am Wasser- und Kanalnetz und bei der Verkabelung wurde viel getan. Nun soll im ersten Halbjahr der Ortsteil Luko - bis auf eine Straße - verkabelt werden. In Luko sollen auch noch kleinere Arbeiten am Dorfgemeinschaftsplatz erledigt werden.
In Thießen ist der Straßenbau am Bahndamm vorgesehen, soll die Beleuchtung im Bereich Kupferhammer erneuert werden, erhält die Brücke am Mönchsholz einen neuen Belag.
Ob Bund oder Land - überall reden die Politiker vom Sparen. Wo musste in Thießen der Rotstift angesetzt werden?
Lutze: Die finanzielle Situation in Thießen ist sehr prekär. Vor zwei Jahren hatten wir ein Haushaltskonsoldierungskonzept beschlossen, Teile davon sind umgesetzt. Hundesteuer und Grundsteuer A sind gestiegen, Einschränkungen gibt es in der Grünpflege, bei der Straßenbeleuchtung wird gespart. Jetzt haben wir Verträge vorbereitet, das Sportlerheim Thießen an den Sportverein und das Gemeindehaus Luko an den Chor per Nutzungsvertrag zu übertragen. Doch am Gros der Kosten für Verwaltung, Personal und die Kindertagesstätte ist nicht zu rütteln.
Das Jahr 2004 ist für die Gemeinden in mehrerer Hinsicht entscheidend. Der Prozess der Gebietsreform wird forciert, und im Juni finden Kommunalwahlen statt. Thema Gebietsreform: Welche Entwicklung erhoffen Sie sich?
Lutze: Vor zwei Jahren hatte ich eine Gesprächsinitiative gestartet, mit dem Ziel, eine große, rein dörfliche Gemeinschaft mit der VG Vorfläming, Rosseltal und Dörfern der VG Coswig zu bilden. Doch die ehemaligen Kreisgrenzen sind immer noch in den Köpfen. Das ist bedauerlich. Doch ich habe noch eine winzige Hoffnung, dass sich in dieser Richtung noch eine Möglichkeit auftut. Denn das vom Land angestrebte Trägermodell mit der Stadt Coswig mit allen einhergehenden Problemen ist gewiss nicht das, was uns glücklich stimmt. Doch das ist wohl der Preis für noch ein paar Jahre kommunale Selbständigkeit.
Thema Kommunalwahlen. Im Sommer wird der Gemeinderat neu besetzt. Wie beurteilen sie die Zusammenarbeit mit ihren bisherigen Räten, und was möchten Sie den Kandidaten schon heute mit auf den Weg geben?
Lutze: Unser Thießener Gemeinderat ist stark durch die Fraktion der Feuerwehr geprägt. Die Zusammenarbeit ist immer konstruktiv. Es kracht auch mal, aber wir treffen uns immer an dem Punkt, wo wir am gemeinsamen Strang für die Gemeinde ziehen. Ich gehe davon aus, dass sich die meisten Gemeinderäte wieder zur Wahl stellen, doch ich würde mich auch freuen, wenn sich andere, besonders auch Frauen, für das Amt interessieren.
Im Vorfeld möchte ich den zukünftigen Gemeinderäten empfehlen, keine übereilten Entscheidungen zu treffen, sondern sich stets besser zweimal mit der Sachlage zu beschäftigen. Außerdem habe ich über dem alten Ratssaal in Dubrovnik einen 300 Jahre alten Satz entdeckt, der noch heute für alle Ratsmitglieder hinter der Ratssaaltür Grundsatz sein sollte: "Vergiss das Private, denke für die Gemeinde."
Welches persönliche Motto begleitet Sie durch das Jahr 2004?
Lutze: Jeder Tag erfordert neue Entscheidungen. Die Tagesprobleme aufzugreifen und optimal anzugehen, ist mir wichtig.