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Text und Lieder werden ein Ganzes

Von ILKA HILLGER 28.10.2009, 17:43

DESSAU/MZ. - "Ich habe in großen und kleinen Räumen gespielt, die Wirkung war immer einmalig", sagt Roder. Dabei singt er gar nicht die Lieder jenes Mannes aus Gräfenhainichen, dessen Geburtstag 2007 zum 400. Mal gefeiert wurde. Roder ist Schauspieler und erzählt vom Leben des Kirchenlieddichters Paul Gerhardt. Er geht dafür in die Kirchen, trifft die Gemeinden und vor allem auf deren Chöre, denn das Projekt "Du, meine Seele, singe" ist ein Choratorium mit Roder und den Sängern als Hauptdarstellern.

Oft erprobt wurde diese Zusammenarbeit nun schon, in diesen Tagen aber bekommt sie eine neue Qualität. Roder trifft sich mal wieder mit dem Regisseur des Stückes. André Bücker, heute Generalintendant des Anhaltischen Theaters, inszenierte das Choratorium mit Roder, als beide noch am Theater im Nordharz arbeiteten. Nun ist Bücker in Dessau, und nun kommt das Choratorium, geschrieben von August Buchner, auch in die Stadt, rückt nahe an Gräfenhainichen, den Geburtsort Paul Gerhardts heran. Am Sonnabend um 18 Uhr ist es in der Georgenkirche zu erleben. Bereits Donnerstag und Freitag füllt sich das Gotteshaus bei Proben mit jungen Leuten, denn diesmal wird es nicht der Gemeindechor sein, der Gerhardts Lieder singt, sondern der Chor der Musikschule. Gut 30 junge Sänger, die Flötengruppe und Posaunenspieler bereiten sich auf die Dessauer Premiere vor.

Die Musikschüler begleiten Gerhardts Lieder freilich schon sehr viel länger. Seit mehreren Wochen studieren sie unter der Leitung von Gesangslehrerin Marianne Kaiser die Strophen von Liedern wie "Geh aus, mein Herz" und "O Haupt voll Blut und Wunden" ein. So war es auch vor einer Woche im Saal der Musikschule. "Hell singen, hell singen", rief da Marianne Kaiser den jungen Leuten immer wieder zu, während diese sich durch das umfangreiche Liedmaterial arbeiteten. Frau Kaiser selbst las derweil jene Texte, die der Schauspieler bei den Proben am Donnerstag und Freitag sprechen wird.

Der freut sich derweil über den großen Umfang der Vorbereitungen in Dessau. Denn Thomas Kunath, früherer Direktor der Musikschule, schrieb eigens für die Aufführung neue Arrangements, die es erlauben, dass Flöten und Posaunen den Gesang begleiten. "Das ist auch für mich neu", so Roder, der bei den bisherigen Aufführungen gemerkt hat, dass "selbst jene, die ihren Paul Gerhardt zu kennen glauben, die Lieder durch das Stück neu verstehen". "Die Zuschauer bekommen von mir Informationen, und das löst bei ihnen Emotionen aus." So intensive, dass es selbst den erfahrenen Darsteller immer wieder aufs Neue überrascht. "Die Wirkung der Worte und Lieder so unmittelbar zu erleben, ist eine Erfahrung, die es auf der Theaterbühne nicht in dieser Stärke gibt", sagt Roder.

Eine Wirkung, die aus der Verwebung von Text und Gesang resultiert. Während der Schauspieler verzweifelt, hadert, Gott anruft und von den Lebensstationen Gerhardts erzählt, fällt ihm immer wieder der Chor ins Wort mit Liedern, die - gesungen in gesamter Länge - eine ungewöhnliche emotionale Kraft entfalten. Praktisch funktioniert dieses Konzept, weil die Chöre schon vor der Aufführung - wie eben auch in Dessau - eingebunden werden und mit dem Liedmaterial arbeiten. Treffen sie dann auf den Schauspieler, fügen sich zwei Teile - Text und Lieder - zu einem Ganzen, das aufgrund der verschiedenen Aufführungsorte immer neu ist. Auch in Dessau und bei der zweiten Aufführung am 14. November in der Wittenberger Stadtkirche wird sich Frank Roder deshalb neue Wege suchen, auf Emporen spielen, vorm Altar verzweifeln und einen inneren Glaubenskrieg entfesseln.

Karten für fünf Euro gibt es am Sonnabend an der Abendkasse in der Georgenkirche.