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Eigentlich Ehering gesucht Taucher findet 4.500 Jahre alte Pfeilspitze in Dessauer Waldbad - Archäologen begeistert

Eigentlich wollte Taucher Steven Kutzbach im Wasser des Dessauer Waldbads einen verlorenen Ehering finden. Doch er zog noch mehr an Land. Warum die Archäologen jubeln.

Von Oliver Müller-Lorey Aktualisiert: 28.09.2022, 09:36
Steven Kutzbach sucht mit einer Sonde (links) nach verloremen Schmuck, um ihn seinen Besitzern zurückgeben zu können. Manchmal muss er tauchen, im aktuellen Fall reichte eine spezielle Schaufel mit Sieb. Darin fand sich die alte Pfeilspitze.
Steven Kutzbach sucht mit einer Sonde (links) nach verloremen Schmuck, um ihn seinen Besitzern zurückgeben zu können. Manchmal muss er tauchen, im aktuellen Fall reichte eine spezielle Schaufel mit Sieb. Darin fand sich die alte Pfeilspitze. (Foto: Oliver Müller-Lorey)

Dessau/MZ - Es sind die letzten warmen Tage im Dessauer Waldbad und im Wasser ist einiges los: Die Besucher planschen, spielen Ball, der ein oder andere schwimmt ein paar Bahnen oder tobt mit seinen Freunden umher. Dann, nur für einen kurzen Augenblick, ein leichtes Streicheln am Ringfinger. Der Griff der anderen Hand geht zum Ehering - oder dorthin, wo er eben noch saß. Panik macht sich breit. Der Ring ist ins Wasser gefallen und liegt am Grund. Für immer verloren! Hunderte, Tausende Euro und Erinnerungen: weg!

So ähnlich hat es sich im Spätsommer auch im Dessauer Waldbad abgespielt. „Eine Frau kam aufgeregt zu mir und sagte, dass ihr Ring weg ist“, erinnert sich Badbetreiber Lutz Büttner. Doch er konnte die Kundin schnell beruhigen. „Wir kennen da jemanden, der findet den Ring wieder. Zum Selbstkostenbeitrag“, versprach er damals und erntet ungläubiges Staunen.

Die über 4000 Jahre alte Pfeilspitze wurde aus Feuerstein gefertigt.
Die über 4000 Jahre alte Pfeilspitze wurde aus Feuerstein gefertigt.
(Foto: Müller-Lorey)

Hobbytaucher rettet Erinnerungsstücke

Dieser „jemand“ ist Steve Kutzbach. Hobbytaucher aus Berlin, der sich mit seinem Projekt „Ringjäger“ selbstständig gemacht hat. Er und seine zehn Mitstreiter, allesamt Taucher, gehen für ihre Auftraggeber in Schwimmbädern, Seen und an ähnlichen Orten auf die Suche nach verlorenem Schmuck, um ihn den Besitzern wiederzugeben. Dafür wollen sie kein Geld haben, sondern lediglich die Kosten, die für den Einsatz anfallen. Das ist etwa die Anreise, die Pressluft in den Taucherflaschen und Verpflegung. Lutz Büttner kooperiert schon länger mit der Firma.

Und, um es vorweg zu nehmen, den Ehering hat Steven Kutzbach tatsächlich gefunden. Aber nicht nur ihn. Er stieß bei seiner Suche auch auf eine 4.500 Jahre alte Pfeilspitze, die Rückschlüsse auf das Leben der Menschen gibt, die in der Jungsteinzeit im Raum Dessau lebten. Archäologen haben sich die wenige Zentimeter große und gut erhaltene Spitze inzwischen angesehen und sind begeistert. Sie wollen sie ab November im Museum für Naturkunde und Vorgeschichte ausstellen.

Archäologen ordnen Pfeilspitze der Kugelamphorenkultur zu

Zuerst untersucht hat die Pfeilspitze Archäologe Hans-Peter Hinze. „Sie stammt aus Feuerstein und war ursprünglich bernsteinfarben, hat mit der Zeit allerdings eine Patina bekommen“, erklärt er. Die Pfeilspitze dürfte rund 4.500 Jahre alt sein, was sich an der Färbung und der Bearbeitung erkennen lässt. „Theoretisch könnte es sich auch um ein Messer handeln. Ziemlich sicher lässt sich aber sagen, dass sie der sogenannten Kugelamphorenkultur zuzuschreiben ist“, sagt Hinze.

Der nach den gefundenen Behältern benannte Stamm lebte auf Anhöhen entlang der Mulde, nicht weit weg vom heutigen Waldbad, das erst in der Moderne durch den Kiesabbau entstand. Die Pfeilspitze muss vor tausenden von Jahren ganz in der Nähe in den Boden gesunken sein. „Vom Fluss angeschwemmt werden konnte sie nicht, dann wäre sie nicht so scharf“, weiß Hinze.

Lutz Büttner (l.) und Hans-Peter Hinze betrachten die Spitze.
Lutz Büttner (l.) und Hans-Peter Hinze betrachten die Spitze.
(Foto: Müller-Lorey)

4500 Jahre alte Pfeilspitze wird im Museum ausgestellt

Der Fund wird nun dem Förderverein des Museums zur Verfügung gestellt und in der Vitrine für wechselnde Ausstellungsstücke mit einer Erklärung präsentiert. Hinze ist froh, dass Kutzbach die Spitze dem Museum zur Verfügung stellt. Denn oft habe der Archäologe leider auch negative Erfahrung mit Sondengängern gemacht, die historische Fundorte durchwühlen. Kutzbach ist ganz eindeutig keiner von ihnen und freut sich, neben der Ringbesitzerin auch die Wissenschaftler glücklich gemacht zu haben.

„Die Emotionen, die ich wiederbekomme, wenn ich etwas finde und zurückgeben kann, sind ohnehin der größte Lohn“, sagt der Taucher. Manchmal, wie im aktuellen Fall, taucht der Schmuck schon nach einer halben Stunde wieder auf, manchmal muss er auch an zwei Tagen suchen. Die Erfolgschancen liegen ihm zufolge bei 80 bis 90 Prozent. „Wir geben nicht auf, bevor wir etwas gefunden haben“, sagt er.

Wichtig sei es, die Ringjäger schnell zu rufen und nicht mit Schnorchel und Taucherbrille selbst zu suchen. So mache man nämlich nur alle Umstehenden auf den Verlust aufmerksam und animiere den ein oder anderen, für die eigene Tasche zu suchen.