Suchtprävention in Dessau-Roßlau Suchtprävention in Dessau-Roßlau: Immer weniger im Vollrausch

dessau - In dieser Statistik nimmt Dessau-Roßlau einen wahren Spitzenplatz ein - und ist stolz darauf. Die Zahl der Kinder, die mit einer Alkoholvergiftung ins Städtische Klinikum eingeliefert werden mussten, ist in der Doppelstadt in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Von 25 Fällen in den Jahren 2009 bis 2012 auf 13 Fälle im Jahr 2014. Ein Rückgang von fast 50 Prozent also. Im Vergleich: In Sachsen-Anhalt insgesamt sank diese Zahl um 22 Prozent, bundesweit um 23 Prozent. „Unser sehr gutes Ergebnis in Dessau ist kein Zufall“, betont Dr. Uwe Mathony, Chef der Kinder- und Jugendklinik des Städtischen Klinikums, „sondern hat seine Ursache im erfolgreichen Umsetzen des Präventionsprojektes HaLT- Hart am Limit mit vielen Partnern an vielen Orten der Gesellschaft.“
Seit 2012 beteiligt sich Dessau-Roßlau an diesem Bundesmodell, und wie die Akteure gestern in einer Zwischenbilanz feststellten, zeigt es inzwischen Wirkung. „Wir können ein wirklich positives Resümee ziehen“, sagt Jörg Schwabe, Leiter des Polizeireviers. Beredter Beweis aus Polizeisicht: Die Zahl der Straftaten Jugendlicher unter Alkoholeinfluss ist deutlich zurückgegangen. Auch insgesamt sei der Alkoholkonsum Jugendlicher rückläufig. „Alkoholisierte junge Menschen spielen in unserem Polizeialltag inzwischen kaum eine Rolle mehr, sie sind die Ausnahme geworden“, erklärt Schwabe.
Das war zum Projektbeginn im Jahr 2012 ganz anders. Bundesweit war der Alkoholmissbrauch Jugendlicher beim so genannten Koma-Saufen dramatisch angestiegen. 26 000 Kinder und Jugendliche mussten 2012 mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäusern aufgenommen werden. Im Jahr 2000 lag die Zahl bei 9 500. „Komasaufen war Mode geworden“, konstatiert Dr. Mathony. Und der Alkoholkonsum hatte teilweise exzessive Züge angenommen. Das ins Leben gerufene Bundesmodell sollte diesem Trend entgegenwirken. In Dessau fanden sich dafür schnell viele Partner - neben sozialen Trägern wie Jugendamt, Suchtberatung und Polizei auch Klinik und Krankenkassen - zusammen. Die fortan gemeinsam an dem Ziel arbeiteten, die Kinder und Jugendlichen vor Alkoholmissbrauch zu schützen. Das passierte und passiert an vielen Orten auf unterschiedliche Art und Weise. So wurde die Präventionsarbeit an den Schulen intensiviert, gibt es Elternschulungen zu diesem Thema, den Plakatwettbewerb „Bunt statt Blau“ der DAK, werden die Schulsozialarbeiter eingebunden. Zusätzlich versuchen die Akteure auf die Öffentlichkeit Einfluss zu nehmen, indem gemeinsam mit dem Ordnungsamt Testkäufe durchgeführt werden und Wirte und Verkaufspersonal für das Thema sensibilisiert werden.
Nicht nur Sache der Polizei
Innerhalb des Projektes „HaLT“ werden aber auch die betreut, die ins Straucheln gekommen sind und mit einem Vollrausch in der Klinik landeten. Noch in der Klinik werden sie von Cornelia Endler, Suchttherapeutin im Diakonischen Werk Bethanien, gezielt angesprochen und beraten. Die Hintergründe und die persönliche Bewertung des Besäufnisses spielten dabei eine Rolle, erklärt Endler, die auf eines besonders hinweist: „Kein Jugendlicher trinkt sich absichtlich ins Koma, vielmehr bringen Leichtsinn und die Unkenntnis des Risikos sie in diese Situation.“ Ihre Aufgabe sei es, die Betreffenden vor einer Wiederholung zu bewahren. „Und das geht am wirkungsvollsten, wenn sie noch unter dem Eindruck der Katastrophe stehen.“ Das Portfolio ihrer Hilfe umfasst erlebnispädagogische Angebote in der Gruppe, wo sie lernen, Risiken einzuschätzen und Grenzen zu setzen, ebenso wie Gruppen- und Einzelgespräche auch mit den Eltern.
Der Projekterfolg, darin waren sich die Netzwerkpartner einig, „ist unser gemeinsamer Erfolg, auf dem wir uns nicht ausruhen werden“. Und so ist der Kampf gegen Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen auch in Zukunft nicht nur Sache der Polizei, der Klinik oder des Jugendamtes - sondern der gesamten Stadt. Dass dies so ist, zeigt sich beispielsweise an der hohen Anzahl Schüler - mehr als 100 - , die sich am Plakatwettbewerb der DAK zum Thema beteiligten. Oder an der Tatsache, dass Ereignisse wie Jugendweihen und letzte Schultage heute ohne alkoholbedingte Zwischenfälle über die Bühne gehen, wie es vor einigen Jahren noch gang und gäbe war. (mz)
