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Streit um Pachtzinserhöhungen Streit um Pachtzinserhöhungen: Forderung schockt Pächter

Von Annette Gens 27.09.2002, 16:35

Dessau/MZ. - In einem Brief wurde ihnen Anfang Dezember vor vier Jahren mitgeteilt, der Pachtzins in Höhe von künftig vier Prozent werde auf den aktuellen Bodenrichtwert erhoben. Vierstellige, im Extremfall fünfstellige Summen, sollten die Betreffenden - vorrangig aus Haideburg und dem Stadtteil Dessau-Siedlung - laut diesem Anschreiben des Stifts als künftige jährliche Pachtsumme anerkennen. "Ungerecht, unverschämt, nicht angemessen, was von uns verlangt wird" - so die Auffassung vieler, die sich bis heute aus ganz unterschiedlicher Motivation heraus nicht zu einem neuen Vertragsabschluss haben durchringen können. Trotz Anrufung des Petitionsausschusses beim Deutschen Bundestag (1999), trotz folgender langwieriger Verhandlungen, sei bis heute für die Pächter kein akzeptables Ergebnis zustande gekommen.

Nun droht Schlimmeres, wissen die Vereinsmitglieder. Das Leopolddankstift hat sämtliche Unterlagen einem Rechtsanwalt übergeben. Der wiederum macht den Pächtern in seinen Schreiben unmissverständlich klar "sollte ein entsprechender Vertrag bis zu dem vorgenannten Datum durch Sie nicht erfolgen, so würde unsere Mandantschaft davon ausgehen, dass ein Vertragsabschluss nicht erwünscht ist und auch in Zukunft keine Verlängerung des Erbbaurechts mehr in Betracht kommt. Das Erbbaugrundstück wäre in diesem Falle bis zum 31.12.2005 an unsere Mandantschaft gegen entsprechende Entschädigungszahlung herauszugeben."

"Wir werden unsere Interessen - wenn es sein muss - mit allen demokratischen Mitteln verfolgen", sind sich die betreffenden Grundstückspächter einig. Die Strategie ist klar, das Stift möchte mit jedem Einzelnen verhandeln, dagegen fühlen sich viele Betroffene gerade in der Gemeinschaft gut aufgehoben und vor allem sicher. Unter den Pächtern sind Ältere und auch Alleinstehende, die jahrelang in ihr Haus und in das Grundstück investiert haben und sich nun aufgrund dieser Forderungen schon ihr Haus verlassen sehen. "Es ist nicht so, dass wir die alte in den 30er Jahren veranschlagte Pacht beibehalten wollen", hatte Vereinsvorsitzender Günter Wurm verdeutlicht. Als Zeichen des guten Willens zahlen die Pächter inzwischen das Siebenfache des seinerzeit veranschlagten Betrages.

Das Stift hat sich augenscheinlich entschieden, den gerichtlichen Weg zu beschreiten. Dem Verein ist indes klar, keine Rechtsschutzversicherung tritt ein, wenn es um Grundstücksangelegenheiten geht. Das Gericht wird den Streitwert veranschlagen, zusätzliche hohe Kosten würden den Pächtern entstehen. Der Gedanke daran macht viele ohnmächtig, weiß der Vereinsvorsitzende. Und schließlich verstehen viele Pächter die Welt nicht mehr: Als Ackerland hatten meistenteils ihre Väter oder Großväter eine Fläche erworben mit der Maßgabe, darauf ein Haus zu errichten. Dass die Grundstücke sich so entwickelt haben, daran hat das Stift kaum einen Anteil. Dass das Stift nun außerdem einen Bodenrichtwert ansetzt, der aus einem Jahr stammt, in dem sehr viele Grundstückskäufe in den entsprechenden Stadtteilen zu teils horrenden Preisen abgewickelt wurden, ist für sie fragwürdig. Was können sie dafür, dass sie plötzlich - in Haideburg wie in der Siedlung - in so genannten gefragten Wohnlagen angesiedelt sind?

"Wir wollen wieder an den Verhandlungstisch", ist sich der Vereinsvorsitzende mit allen Mitgliedern einig. "Wir wollen vernünftige Verträge aushandeln, mit denen alle Leute leben können." Es wird schwer, ist er sich sicher. Denn das Verhältnis der Pächter zum Verpächter ist von großem Misstrauen geprägt. Ob ein ins Auge gefasstes Gespräch beim Oberbürgermeister weiterhelfen kann - das steht momentan in den Sternen.

Kontakt zum Verein unter Telefon 01 70 / 3 22 91 11.