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Störche Störche: Junioren-Quintett in Chörauer Horst

Von Matthias Bartl 26.07.2002, 16:25

Chörau/MZ. - Gustav und Gustel lassen sich nicht blicken. Die beiden Alten sind wohl auf den futterreichen feuchten Wiesen rund um Chörau unterwegs, um Atzung heranzuschaffen für die fünf hungrigen Schnäbel, die sich im Storchenhorst auf dem Nebengebäude in der Dorfstraße Nr. 13 in den Himmel recken. Fünf Jungstörche in einem Horst - das hat selbst in der storchenreichen Gegend an Elbe, Mulde und Fuhne Seltenheitswert.

Auch Katrin und Maik Liedtke haben so etwas noch nicht erlebt. Die beiden haben das Grundstück in Chörau vor gut fünf Jahren übernommen - schon damals waren die Störche ihre "Untermieter". Liedtkes sind aus Dessau nach Chörau übergesiedelt - der Ruhe, der Natur wegen; an ein Haustier war in der kleinen Mietwohnung auch nicht zu denken. Jetzt bevölkern der Berner Sennenhund Tom, die Jungkatzen Mauzmauz und Jerry sowie eine große Katze den Hof - und eben die Störche.

Zu denen Liedtkes ein doch besonderes Verhältnis entwickelt haben. Als sie in Chörau am Haus bauten, "da haben wir die ganze Zeit geackert und nicht hochgeschaut, und abends dann haben wir uns Stühle geholt und uns zum Störche-Gucken hingesetzt." Das sei besser als Fernsehen gewesen. "Wir warten in jedem Frühjahr immer ganz gespannt darauf, dass Gustav und Gustel aus Afrika heimkommen", sagt Katrin Liedtke. Die ermittelt hat, dass es stets um den vierten Vollmond herum so weit ist, dass sich das Adebar-Paar einstellt. "Zu Ostern backe ich auch einen Storchenkuchen, ein Blech mit Butterkuchen, glasiert und mit Storchenmotiven bemalt." Der kommt dann beim Chörauer Osterfeuer unter die Kuchengabel - und vor zwei Jahren, erinnert sich die 33-Jährige, sei Gustav auch pünktlich genau an dem Tag eingetroffen, an dem der Kuchen gegessen wurde.

Auch sonst können die Liedtkes - er arbeitet als Elektroingenieur, sie ist Sachbearbeiterin in einer Druckerei - ein Dutzend Anekdoten am Stück über "ihre" Störche erzählen. Im Jahr 2000 ist beispielsweise einer der Langschnäbel schlicht aus dem Nest und aufs Dach gefallen, worauf Maik Liedtke das Dach enterte, den Abgestürzten barg und dann Ingolf Todte informierte. Todte, in Aken wohnender Storchen-Experte des Kreises Köthen, brachte das Tier zum Storchenhof Loburg. Später, so Maik Liedtke, sei der Storch, nachdem er in Loburg gesundet und herangewachsen war, bei Steutz ausgewildert worden - "der saß bald wieder bei uns auf dem Horst". Ein Fremdstorch hatte mal an Gustavs und Gustels Horst einen Unfall und polterte in die Lücke zum Nachbarhaus. "Der hatte im Dunkel das Nest verfehlt und sich einen Flügel gebrochen." Auch hier lautete die Reha-Station: Storchenhof Loburg.

Für Liedtkes ist es die traurigste Zeit, wenn die Störche sich langsam auf den Weg in wärmere Gefilde vorbereiten. "Zum einen ist dann der Sommer vorbei, außerdem fehlen uns unsere Störche", sagt Katrin Liedtke. Andererseits wird die Zeit ab und an auch genutzt, um den Horst in Schuss zu halten.

Vor zwei Jahren, so Maik Liedtke, habe man schon mal eine Schicht vom Horst weggenommen, weil dieser sonst zu schwer geworden wäre. Außerdem müsse der Schornstein - sozusagen das Fundament der Storchenbehausung - saniert werden; die Fugen sind schon ganz schön ausgewaschen, "nicht, dass er uns noch schief friert". Und weil Liedtkes über die Jahre hinweg doch einiges Material zur Geschichte der Störche in Chörau gesammelt haben, überlegt Maik Liedtke, einen alten Schaukasten am Nebengebäude des Grundstücks in eine "Storcheninformation" umzuwandeln. Dann bleiben sicherlich noch mehr Leute am Liedtkeschen Grundstück stehen - von der Straße aus kann man den Horst gut sehen, und für viele Radler ist es eine willkommene Abwechslung, für ein paar Minuten das Treiben im Horst zu beobachten.

Gekürzte Fassung - Den Originaltext lesen Sie in der Lokalausgabe Köthen vom Sonnabend, 27.07.2002.