Stiftung Bauhaus Stiftung Bauhaus: Ein Muster der Moderne
DESSAU/MZ. - Batanagar liegt in Indien, Batadorp in den Niederlanden und Batawa in Kanada, Bataville findet sich in Frankreich und der slowakische Ort Partizánske wurde einst als Bat'ovany gegründet. Die Expansions-Energie, mit der sich Tomás Bat'a einerseits global ausgebreitet und andererseits lokal angepasst hat, dürfte einmalig sein: 80 Städte gehen auf seinen Unternehmergeist zurück, die Kolonien des Tschechen finden sich in Brasilien und in Pakistan, in Australien und Südafrika.
Begonnen hat die Geschichte, die von den Kollegiaten der Stiftung Bauhaus Dessau jetzt dokumentiert wird, 1894 in der mährischen Stadt Zlín. Dort gründete der erst 18-jährige Bat'a gemeinsam mit seinen Geschwistern eine Schuhfabrik, die er schon bald in alleinige Regie übernahm. Der umtriebige Mann hatte das Produktionsprinzip von amerikanischen Unternehmern wie Henry Ford studiert und übertrug es nun auf das Handwerk, das seine Familie bereits in achter Generation ausübte - und das er damit revolutionierte. Noch heute ist Bata der weltgrößte Schuhhersteller, der in 26 Ländern rund 40 000 Mitarbeiter beschäftigt und 4 600 eigene Läden betreibt. Einen entscheidenden Impuls für das Wachstum des Unternehmens gab der Erste Weltkrieg, als Bata als einzige Firma die rasant steigende Nachfrage nach Militärstiefeln befriedigen konnte.
Auf der Suche nach günstigen Produktionsbedingungen, möglichst billigen Einfuhrzöllen und Rohmaterialien wurde es Bata in der Heimat allerdings schon bald zu eng - obwohl der Chef seinen Stammsitz von Architekten wie Le Corbusier zu einer Modellstadt der Moderne umbauen ließ. Die Firma expandierte rasant und exportierte dabei neben dem Arbeits- auch ein Daseinsmodell, das bis zur Perfektion verfeinert wurde. Denn bei Bata wurde nicht nur gearbeitet, sondern gelebt - nach klaren Regeln und unter den wachsamen Augen der Firma, in einer bis in die Freizeit verlängerten Abhängigkeit.
Im protestantischen Geist
In der sehenswerten Ausstellung, die von den internationalen Kolleg-Teilnehmern zusammengetragen worden ist, kann man diese zweischneidige Form der Fürsorge genau studieren: Bata baute seinen Mitarbeitern nicht nur funktionale Wohnquader, er gab in seinen Städten auch eigene Zeitungen heraus und lud seine Mitarbeiter zu kostenlosen Kinobesuchen ein. All diese philanthropischen Gesten aber dienten im Kern der Kontrolle und der Gewinnmaximierung. Denn wer in einer "Bata City" lebte, stand nicht nur unter moralischer Beobachtung seiner Kollegen. Er kaufte zudem in den Geschäften ein, die natürlich niemand anderem als Bata gehörten - und trug seinen Lohn so zur Quelle zurück. Es ist kein Wunder, dass die jungen Wissenschaftler die Ahnentafel in ihrer Schau mit dem böhmischen Reformator Jan Hus beginnen: Selten wurde der von Max Weber behauptete Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und kapitalistischem Geist so schlagend bewiesen wie durch den Katholiken Bata.
Wohin die industrielle Monokultur in der Konsequenz führen kann, zeigen die Kollegiaten an zwei ausgewählten "Bata Cities" - einer im englischen East Tilbury sowie an Batanagar in Indien. Die Siedlung in der Grafschaft Essex hat die Schließung ihrer 1933 gegründeten Fabrik bis heute nicht verkraftet. Bereits seit 1980 war die Produktion zurückgefahren worden, 25 Jahre später war endgültig Schluss. Nun leben überwiegend Arbeitslose in einer "Unternehmensstadt ohne Unternehmen" betreiben ein "Reminscence and Ressource Center" als Traditionskabinett und schauen dem sozialen Selbstversuch beim Scheitern zu. In einer Fotostrecke von Hausfassaden kann man den Kampf um Individualität im Standard erkennen, in Interviews mit den Bewohnern noch immer Reste der Bata-Ideologie erkennen: "Einmal Teil der Firma - immer Teil der Firma".
Eine ganz andere Perspektive scheint die indische Dependance zu haben: Zwar ist auch dort die Zahl der einst 25 000 Arbeiter auf ein Zehntel geschrumpft, nach dem Abriss der alten Industriestadt soll hier auf 206 Hektar jedoch eine neue "Riverfront" entstehen. Die Geschichte geht weiter - und inspiriert bis heute andere Unternehmen, wie das von Nike in Vietnam gebaute TaekWan Vina, aber auch Googleplex, Apple Campus und Facebook's New Campus beweisen.
Ein Büro im Fahrstuhl
Der Mann aber, dem das Bata-Imperium seinen Aufstieg verdankt, starb so, wie er gelebt hatte. Als begeisterter Flugpionier schlug Tomás Bat'a - der sein Firmenbüro in einem Lift installiert hatte, um jederzeit alle Abteilungen erreichen zu können - am 12. Juli 1932 eine Warnung seines Piloten in den Wind, der wegen starken Nebels nicht starten wollte. Bat'a setzte sich selbst ans Steuer seines Privatflugzeugs - und raste mit der Maschine in einen Schornstein in Bat'ov. Er war auf dem Weg in die Schweiz, wo er seinem 18-jährigen Sohn die Bauleitung für eine neue Fabrik übertragen wollte. Sie zählt bis heute zum Bata-Imperium.
Ausstellung bis zum 31. August, täglich 10-18 Uhr, Eintritt frei