1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Stasi-Unterlagen in Roßlau: Stasi-Unterlagen in Roßlau: Großes Interesse bei Beratungstag

Stasi-Unterlagen in Roßlau Stasi-Unterlagen in Roßlau: Großes Interesse bei Beratungstag

Von Danny Gitter 23.10.2013, 17:12
Bis zu zweieinhalb Jahren dauert es, bis nach einem Antrag Einsicht in Stasiakten gewährt wird.
Bis zu zweieinhalb Jahren dauert es, bis nach einem Antrag Einsicht in Stasiakten gewährt wird. Archiv Lizenz

Rosslau/MZ - Die Vergangenheit lässt viele nicht so schnell los. Der Beratungstag der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR im Ratssaal des Roßlauer Rathauses ist deshalb am Dienstag fast ein Selbstläufer gewesen. „Es sind doppelt so viele da wie vor zwei Jahren“, so Wolfgang Laßleben, Referent der Landesbeauftragten für Stasiunterlagen. 2011 waren in acht Stunden 20 Ratsuchende gekommen. Jetzt, zwei Jahre später, waren es nach fünfeinhalb Stunden schon 50 Striche auf der Liste von Laßleben und seinem Kollegen Klaus Blaser. Die Tendenz geht, erklärt Laßleben auch zu seinem eigenen Erstaunen, nach einem kontinuierlichen Rückgang nach dem „Boomjahr“ 2009 seit diesem Sommer wieder stark nach oben.

Starke Nachfrage im Jahr 2009

„2009 hat das Jubiläum 20 Jahre Mauerfall eine starke Rolle gespielt“, ist Laßleben überzeugt. Schon immer habe die Präsenz der DDR-Vergangenheit in den Medien die Zahlen stark beeinflusst. Zur Zeit hat der Referent das Gefühl, dass das Thema zumindest medial nicht unterbesetzt ist. Eine genaue Erklärung für die steigende Nachfrage habe er aber nicht.

Von äußeren Einflüssen abgesehen, ist es oft die persönliche Geschichte, die dazu führt, doch einen solchen Beratungstag in Anspruch zu nehmen. „Wenn die Kinder aus dem Haus sind oder die zeitliche Distanz zur eigenen DDR-Vergangenheit groß genug ist, dann sind viele bereit für die Aufarbeitung ihrer persönlichen Geschichte“, erklärt Laßleben. Die Statistik gibt ihm Recht: Im Schnitt sind die Nachfragenden 55 Jahre und älter.

Rund 90 Prozent der Ratsuchenden stellen bei solchen Beratungstagen wie am Dienstag in Roßlau einen Antrag auf Akteneinsicht in Unterlagen der Staatssicherheit. „Nur rund ein Zehntel der Besucher erkundigt sich nach einer Rehabilitierung oder nach monatlichen Zuwendungen für erlebtes Unrecht“, bilanziert Laßleben. Diese zehn Prozent, die sind dann auch für ihn keine Routine. Denn zum großen Teil wurden diese Biographien staatlicherseits in der DDR beeinflusst.

DDR beeinflusste Lebensläufe

Da gibt es Schicksale von Jugendlichen, die eine Republikflucht versuchten und daraufhin in ein Kinderheim oder Jugendwerkhof kamen, von Schülern, denen ein angemessener Schulabschluss oder Studienplatz verweigert wurde, oder von Menschen, die wegen politischer Verfolgung keine berufliche Karriere machen konnten, inhaftiert oder zwangsausgewiesen wurden.

„Die bisherigen Bundesregierungen haben schon gute Gesetze zur Rehabilitierung und Regelungen für bestimmte Ausgleichszahlungen geschaffen. Es könnte aber sicherlich trotzdem noch einiges verbessert werden“, bilanziert Laßleben, der promovierter Jurist ist. Deshalb würden derzeit viele Betroffene und Opferverbände hoffen, dass ihre Forderungen auch Niederschlag im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung finden.

Bei Beratungstagen helfen die Experten Antragstellern bei der Bewältigung der Komplexität solcher Verfahren. Seit 2007 berät einmal im Monat in Dessau-Roßlau auch ein Vertreter der Caritas zu Rehabilitation und Ausgleichszahlungen. Wichtig sei, so Laßleben, die Vor-Ort-Beratung. Die sei bei den insgesamt 40 Beratungstagen, die die Behörde im ganzen Jahr an verschiedenen Orten in Sachsen-Anhalt durchführt, gegeben. Der Weg geht sonst entweder über eine persönliche Antragstellung in den Außenstellen der Bundesbehörde in Magdeburg und Halle oder über die Meldebehörde vor Ort.

Plädoyer für Vor-Ort-Beratung

„Das eine ist vielen zu umständlich, das andere ist den meisten, gerade in kleineren Orten zu privat, um es auf diesem Dienstweg zu erledigen“, begründet Laßleben die gute Resonanz auf die Beratungstage. Die aber Geduld nicht ersetzen. „Im Schnitt dauert es bis zu zweieinhalb Jahre, um Akteneinsicht zu bekommen“, erklärt der Referent. Doch das schreckt kaum einen. „Viele ahnen etwas und wollen endlich Klarheit haben, inwieweit die Staatssicherheit ihr persönliches Schicksal beeinflusst hat“, sagt Laßleben.