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Stahlrohr und Beton Stahlrohr und Beton: Bauhaus-Designer Marcel Breuer wurde mit Möbeln weltbekannt

Von Marcus Bräuer 16.03.2019, 11:00
Der Lässige: Marcel Breuer kam 1920 an das Bauhaus in Weimar. Direktor Walter Gropius erkennt dessen Talent und fördert ihn.
Der Lässige: Marcel Breuer kam 1920 an das Bauhaus in Weimar. Direktor Walter Gropius erkennt dessen Talent und fördert ihn. Thonet

Genau 17 Meter in die Höhe reicht das Gebäude in Rotterdam, das durch seine strenge geometrische Form auffällt. Ein grauer Quader, mit Rechtecken an den Fassaden der Vorder- und Hinterseite, und Sechsecken an den Seiten. „Marcel Breuer hatte die Idee, dass ein Teil der Außenfassade wie Bienenwaben aussehen soll“, erzählt Vincent Sturkenboom, der Kreativdirektor von De Bijenkorf. Damit nahm Breuer Bezug zum Namen der Warenhauskette, Bijenkorf ist niederländisch Bienenstock.

Dass Marcel Breuer Architekt war, wissen natürlich jene, die sich mit dem Bauhaus beschäftigen. Doch denkt man an den 1902 im damaligen Österreich-Ungarn geborenen Breuer, kommt den meisten in Deutschland vor allem sein Schaffen als Designer in den Sinn.

1920 wechselte er von Wien, wo er ein Kunststudium begonnen hatte, ans Staatliche Bauhaus nach Weimar, wo er bis 1924 eine Tischlerlehre absolvierte. Ab 1925 leitete er als Jungmeister die Tischlereiwerkstatt am Bauhaus. Walter Gropius, Gründer und erster Direktor des Bauhauses, erkannte das Talent des Jungdesigners und förderte ihn. So entstand das, was Marcel Breuer weltweit bekannt machen sollte: Stahlrohrmöbel.

Stahlrohr wurde im Bereich des Möbeldesigns zum Material der Moderne schlechthin

Um herauszubekommen, was so revolutionär an den Stahlrohrdesigns von Marcel Breuer war, ist Norbert Ruf ein guter Ansprechpartner. Ruf ist Kreativdirektor der Firma Thonet in Nordhessen, die auch heute noch Möbel nach Breuers Plänen baut. „Marcel Breuer hatte die große Fähigkeit, mehr mit weniger zu erreichen und hat Klassiker von zeitloser Eleganz geschaffen“, erzählt Ruf.

Die Inspiration, Stahlrohr als Material zu verwenden, bekam Breuer von seinem glänzenden und gebogenen Fahrradlenker. „Nach ersten Experimenten und Testprojekten entwarf er schließlich eine Kollektion von Möbeln, die er teilweise zur Ausstattung des neuen Bauhaus-Gebäudes und der Meisterhäuser von Walter Gropius nutzen konnte“, so Ruf weiter.

Die epochale Bedeutung von Breuers Idee, Stahlrohr für die Möbelherstellung zu nutzen, ist kaum zu überschätzen. Stahlrohr wurde im Bereich des Möbeldesigns zum Material der Moderne schlechthin. Es stand für Technik, Industrie, Serie, Standard, Funktionalität und Hygiene – die zentralen Begriffe der internationalen modernen Bewegung. Deswegen nutzten auch Mies van der Rohe, Le Corbusier und viele andere Vertreter der Moderne dieses Material für ihre Möbelentwürfe.

Breuers Geheimnis war, dass er unbelastet von Vorbildern und Tradition arbeitete

Und auch heute noch sind Breuers Möbel bei Geschäfts- und Privatkunden sehr beliebt, wie Norbert Ruf zu berichten weiß: „Seine Entwürfe sind zu Klassikern des Möbeldesigns geworden, aber keine Museumsstücke, sondern lebende Bestandteile der Kollektion.“

Breuers Geheimnis war, dass er unbelastet von Vorbildern und Tradition arbeitete. Er interessierte sich für die Fragen der Konstruktion und hatte Lust an ihrer expressiven Inszenierung. Dass er sich nicht nur auf das Design von Möbeln beschränken wollte, war ihm früh klar. Überhaupt sah sich Marcel Breuer weniger als Designer, denn als Architekt.

Sein Schaffen als Architekt begann jedoch erst nach seiner Emigration aus Deutschland. Selbst Jude, verließ er Deutschland nach der Machtergreifung der Nazis 1933. Nach einiger Zeit in Ungarn und London siedelte er 1937 nach Amerika über, wo er zunächst als Dozent, später als Professor für Design an der Harvard-Universität arbeitete. Mit seinem Förderer Walter Gropius baute er dort schließlich die Architektur-Fakultät auf und gründete ein Architekturbüro. Nach dessen Auflösung gründete er 1941 sein eigenes.

Breuer baut Unesco-Gebäude in Paris

Breuers Schaffen als Architekt wurde in der Vergangenheit immer mal wieder unterschätzt. So urteilte der ehemalige Design-Kurator des Museum of Modern Art in New York, J. Stewart Johnson: „Breuer wird besser durch seine Möbel-Designs in Erinnerung bleiben, als durch seine Arbeit als Architekt.“

Für Deutschland mag das stimmen. Deswegen scheint es wichtig, den Architekten Breuer hierzulande ins Bewusstsein zu rufen. Breuer baute neben zahlreichen Wohngebäuden auch das Unesco-Gebäude in Paris (1958), das Whitney Museum in New York (1966) – und einen ganzen Skiort (Flaine, 1968).

Als Marcel Breuer 1981 in New York starb, hat er ein sichtbares Erbe hinterlassen, das auch mehr und mehr gewürdigt wird. Das Whitney Museum heißt seit 2016 Met Breuer. Es ist nicht üblich, ein Museum nach dem Architekten zu benennen, der es gebaut hat.

„Um alles aus einem Konstruktionsprinzip herauszuholen, braucht es Leidenschaft und Logik“

Und auch De Bijenkorf in Rotterdam kümmert sich um das Erbe Breuers. „Seit 2010 steht unser Haus unter Denkmalschutz“, erzählt Vincent Sturkenboom. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens gab es 2017 eine große Feierstunde. „Breuers Gebäude“, so Sturkenboom weiter, „ist ein Wahrzeichen der Stadt Rotterdam.“ Nicht nur, weil es das erste Gebäude war, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Rotterdam gebaut wurde.

1962 antwortete Marcel Breuer auf die Frage, wie er arbeite, so: „Um alles aus einem Konstruktionsprinzip herauszuholen, braucht es Leidenschaft und Logik. Es gibt da eine Seele der Konstruktion und einen Instinkt für Leistung (...). Es macht Spaß und gibt das Gespür schöpferischen Wirkens, mit einer Konstruktion zu experimentieren. Das sollte freilich keine Akrobatik sein, sondern ein Erforschen des Möglichen.“ Eine Einstellung, die sich in seinen Designs und seiner Architektur spiegelt. (mz)

Das Kaufhaus De Bijenkorf in Rotterdam hat Marcel Breuer von 1953 bis 1957 mit Abraham Elzas entworfen. De Bijenkorf ist eine 1870 gegründete Kette gehobener Warenhäuser in Holland.

Neben dem Gebäude steht eine Skulptur, die der russische Bildhauer Naum Gabo gebaut hat und die zeitgleich mit der Eröffnung präsentiert wurde. Derzeit werden die Leuchtkästen an der Fassade, der vertiefte Sonnenschutz und die Eingänge erneuert. Dabei und bei der Renovierung im Inneren orientiert sich das Haus an den Prinzipien Breuers.