Sebastian Kennerknecht im Anhaltischen Theater Sebastian Kennerknecht im Anhaltischen Theater: Große Werke große Aufgaben in Dessau

Dessau - Sie müssen auf der Bühne robben, tanzen und kämpfen, sie treten als Jungfrauen auf oder als Dirnen – und das manchmal im gleichen Stück. Dann sind sie wieder Zirkusleute, Schmuggler oder SS-Schärgen, wie es dem Regisseur gerade gefällt. Und das Wichtigste: Dazu müssen sie singen, und zwar nicht irgendwie, sondern sauber, präzise, sensibel und trotzdem laut genug, außerdem auswendig, zusammen mit Solisten und dem Orchester und stets dem Schlag des Dirigenten folgend. Die Sänger eines Opernchors können sich in ihrem Beruf wahrlich nicht zurücklehnen. Selbst zu Silvester nicht. Da steht der Dessauer Opernchor im Musical „Sugar - manche mögen’s heiß“ gleich zweimal auf der Bühne.
1977 in Filderstadt geboren
Und hinter der Bühne spitzt dann aufmerksam ein Neuer die Ohren. Was der Generalmusikdirektor dem Orchester, ist der Chordirektor dem Opernchor. Am Anhaltischen Theater hat mit Beginn der neuen Spielzeit Sebastian Kennerknecht dieses Amt von Helmut Sonne übernommen. In Filderstadt wurde er 1977 geboren, in Würzburg ist er aufgewachsen – und jetzt ganz in Dessau angekommen. „Eine prima Atmosphäre“ sei das am Theater, und groß sei die Offenheit, Musik immer besser und auch mal anders zu machen, sagt Kennerknecht.
An das Probedirigat Anfang 2015, normalerweise ein Ereignis mit hohem Stressaufkommen, erinnert er sich sehr gerne. Die Betreuung sei viel besser als an anderen Häusern gewesen, und der Chor habe sich gerne auf harte Probenarbeit eingelassen. Das Anhaltische Theater wollte ihn, und er wollte ans Theater. Nun wohnt er hier mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern, hat Weihnachten in Dessau verbracht und ist stolz: „Das Dessauer Haus genießt in ganz Deutschland einen guten Ruf“.
Angefangen hat Sebastian Kennerknechts musikalische Karriere freilich nicht an der Oper. Seine Eltern gaben ihm als engagierte Laien die Liebe zur Musik mit, er sang früh und gerne und lernte Klavier, später auch Orgel. Ein Vorbild: Seine erste Klavierlehrerin, „die sogar Stücke für mich komponierte“. Am Würzburger Dom lernte er das geistliche Chorrepertoire kennen und schlug ab dem Alter von zwölf Jahren in zahlreichen katholischen Gottesdiensten die Orgel.
Die Musik zum Beruf zu machen, lag nicht fern. Indes rieten ihm die Lehrer ab, sich ins Haifischbecken der Klaviervirtuosen zu begeben. „Da hieß es dann: Schau, dass Du ans Theater kommst.“ Die Leitung eines Chores hatte er inzwischen schon übernommen, und so entschied sich Kennerknecht dafür, Dirigieren zu studieren, zuerst in Weimar, dann in Hamburg. Er gründete einen Projektchor und leitete weitere Vokalensembles, war Korrepetitor (also Klavierbegleiter) des Chores am Hamburger Michel. Doch als reiner Chordirigent begriff er sich von vorneherein nicht. „Ein guter Dirigent muss ein Orchester ebenso wie einen Chor leiten können.“ Mal selbst ein Sinfoniekonzert dirigieren? „Warum nicht, wenn sich die Chance ergibt.“
Direkt von der Hochschule weg fand Kennerknecht Aufnahme am Theater Heidelberg als Korrepetitor mit dem zusätzlichen Arbeitsfeld Theaterpädagogik, dann wechselte er nach Gießen und schließlich nach Nürnberg – wo er zuletzt die Elternvertretung als Chordirektor übernahm. Da habe er „richtig Blut geleckt“ für die Arbeit als Leiter eines Opernchores. Zugleich führte er mit dem Konzertchor des Lehrergesangvereines Nürnberg das Requiem von Brahms und Haydns „Schöpfung“ auf.
In Dessau hat Kennerknecht - hoch aufgeschossen, schlank und leuchtende Augen - mit seinen 35 Sängerinnen und Sängern („das ist die absolute Untergrenze für so eine große Bühne“) nun auch schon einige Projekte im echten Sinne des Wortes über die Bühne gebracht: Die Donizetti-Oper „Viva la Mamma“ alias „Da muss Mutti ran“ zum Beispiel und auch das Musical „Sugar - Manche mögen’s heiß“. Demnächst steht Giuseppe Verdis „Troubadour“ an.
Erstes eigenes Profi-Ensemble
Für ihn wie für den Chor eine ganz besondere Herausforderung war das Konzert zum Totensonntag unter anderem mit Faurés berühmtem Requiem sowie das Bauhauskonzert mit Strawinskys „Les Noces“. „Für Sängerinnen und Sänger, die sonst immer szenisch auftreten, war es ganz wunderbar, sich einmal nur dem Singen zu widmen“, sagt der Chordirektor, der es sehr genießt, mit seinem ersten „eigenen“ Profi-Ensemble auch eigene Akzente setzen zu können. Vorgenommen hat er sich, den Chor, in dem schließlich viele gestandene Solisten singen „als Mannschaft“ zu stärken und weiter am Klang zu arbeiten. Große Werke und Aufgaben warten auch in der kommenden Spielzeit. Doch die werden an dieser Stelle noch nicht verraten. (mz)
