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Schulanfänger in Dessau-Roßlau Schulanfänger in Dessau-Roßlau: Defizite bei Intelligenz, Gewicht und Feinmotorik

Von Lisa Garn 01.02.2018, 12:00
Ein Kind bei einer Einschulungsuntersuchung
Ein Kind bei einer Einschulungsuntersuchung imago stock&people

Dessau-Roßlau - Die jüngsten Zahlen der Schuleingangsuntersuchungen in Dessau-Roßlau sind alarmierend: Kinder in der Doppelstadt sind deutlich öfter übergewichtig und schneiden auch bei der Feinmotorik sowie den geistigen Fähigkeiten schlechter ab als der Landesdurchschnitt.

Auch die Zahlen für Sehschäden und Sprachstörungen sind in Dessau-Roßlau auffällig. Das zeigen aktuelle Statistiken, die jetzt das Landesamt für Verbraucherschutz für 2016 vorgelegt hat. Erhoben wurden die Zahlen für ganz Sachsen-Anhalt.

Aufgrund der Defizite muss der Kinder- und Jugendärztliche Dienst immer mehr Fördergutachten verfassen

„Es sind Entwicklungen, die alle Städte und Landkreise betreffen. In Dessau-Roßlau liegen die Zahlen für einige Bereiche wie Sprachstörungen und Übergewicht schon seit Jahren über dem Durchschnitt“, sagt Amtsärztin Irena Hörhold. Von den fast 600 untersuchten Kindern in der Stadt bestehen laut Landesstatistik bei 25,3 Prozent Defizite in der Artikulation und bei 8,2 Prozent bei der Grammatik.

Feinmotorische Defizite wurden bei 21,3 Prozent der Untersuchten festgestellt, geistige Defizite bei 12,4 Prozent. 9,6 Prozent sind übergewichtig und 5,2 Prozent adipös. Auch wenn man bei der Stadt die Statistik von zwei Seiten betrachtet - die Zahlen der Stadt selbst und die des Landes differieren aufgrund unterschiedlicher Statistikprogramme - nimmt die Verwaltung die Ergebnisse ernst.

Aufgrund der Defizite muss der Kinder- und Jugendärztliche Dienst immer mehr Fördergutachten verfassen beziehungsweise Empfehlungen für Therapien ausstellen. Die Zahl der Fördergutachten lag 2010 noch bei 117, im Jahr 2016 waren es schon 218. Aber: „Es gibt keine Pflicht, die Empfehlungen auch umzusetzen“, so Hörhold.

Amtsärztin sieht bei Übergewicht und Sprachstörungen landesweite Trends bestätigt

Die Amtsärztin sieht beim Thema Übergewicht und auch bei den Sprachstörungen landesweite Trends bestätigt. Die Zahlen übergewichtiger Kinder bis hin zu extrem adipösen Mädchen und Jungen würden seit Jahren steigen.

Zwar sind in Dessau-Roßlau mehr als drei Viertel aller untersuchten Kinder im grünen Bereich gewesen, jedoch brachte auch gut jedes sechste Kind, das 2016 eingeschult werden sollte, zu viel auf die Waage. „Der Bewegungsmangel hat zugenommen. Weil Kinder zu viel Computer, Handy oder Fernseher nutzen. Und: Heute sind ungesundes Essen und ungesunde Getränke viel leichter erreichbar.“

Eine verhältnismäßig hohe Zahl gibt es an Kindern mit Problemen bei der Feinmotorik - auch wenn sich die Zahlen leicht verbessert haben. Bei Auffälligkeiten werde eine Ergotherapie empfohlen, dazu müsste zuvor noch ein Termin beim Haus- oder Kinderarzt erfolgen. Ob die Jungen und Mädchen dort eine Therapie beginnen, liegt dann vor allem in der Hand der Eltern.

Eltern in Dessau-Roßlau brauchen mehr Verständnis und ein höheres Problembewusstsein

Ähnliches gilt für die geistigen Defizite. „Hier sind die Kinder in Dessau-Roßlau schlechter als in anderen Landkreisen und Städten, auch wenn sich der Wert leicht verbessert hat. Er bleibt aber alarmierend.“ Empfohlen wird bei Defiziten eine ambulante oder aber eine integrative Frühförderung. Auffälligkeiten in der Sprache schätzt Hörhold als ebenso gravierend ein. „Die hohen Zahlen sind ein Phänomen in ganz Sachsen-Anhalt.“ Eine logopädische Therapie könne helfen, allerdings sollten die Inhalte zu Hause weiter geübt werden.

Hörhold wirbt für mehr Verständnis und Problembewusstsein bei Eltern, Nachholbedarf beim eigenen Kind nicht als Stigma, sondern als Chance zu sehen. Das Gesundheitsamt wertet nach der Untersuchung die Befunde mit den Eltern aus und empfiehlt bei Bedarf entsprechende Hilfen.

Trotz der Gesamtlage gibt es auch positive Entwicklungen: „Die rein körperlichen Faktoren sind nicht auffällig. Die Zahlen sind stabil auf einem gesunden Niveau.“ Deutlich weniger als im Landesschnitt haben die Mädchen und Jungen in der Stadt auch unter Allergien, Neurodermitis und Asthma zu leiden. Sie stehen ebenso deutlich weniger unter Dauermedikation.

Kitas der Stadt kooperieren beispielsweise für Gesundheitsprojekte mit Krankenkassen

Um Defiziten beim Übergewicht und in der Sprachentwicklung vorzubeugen und entgegenzutreten, laufen in den Kitas der Stadt mehrere Projekte. So kooperieren Einrichtungen beispielsweise für Gesundheitsprojekte mit Krankenkassen.

„Gesundheitserziehung, Bewegung und gesunde, vollwertige Ernährung spielen seit langem eine große Rolle“, sagt Jens Krause, Beigeordneter für Gesundheit, Soziales und Bildung. Einbezogen werden neben Kindern auch die Eltern und pädagogische Fachkräfte.

Zur Unterstützung der Sprachentwicklung haben zwölf Kitas Bundesmittel aus dem Programm „Frühe Chancen“ beantragt. In neun Einrichtungen Dessau-Roßlaus sind Sprachförderkräfte bewilligt worden. Seit 2017 arbeiten auch pädagogische Fachkräfte und Interessierte im „Netzwerk Sprache“ zusammen. „Bei allen Anstrengungen ist es nötig, die Eltern ins Boot zu holen und sie für Spracherziehung und gesunde Ernährung zu sensibilisieren.“ In fünf Kitas sind Elternbegleiter eingesetzt. (mz)