Schippen macht hungrig

dessau/MZ - Die Helfer stehen Gewehr bei Fuß. Claudi Hönicke, Juliane Strätz, Marcel Gebauer und Stephan Höhne melden sich Punkt 10 Uhr bei den Dessauer Verkehrsbetrieben. Bei Facebook haben sie gelesen, dass sich die Helfer um diese Uhrzeit treffen. Disponent Thomas Pabst aber ist überrascht. Er weiß davon nichts, klemmt sich aber sofort ans Telefon. „Am Tannenheger wird Hilfe gebraucht“, weiß er wenig später. „Wir machen einen Bus startklar und fahren euch rüber.“
Die jungen Leute winken ab. Tannenheger, da ist es nicht weit, dort fahren sie selber mit ihrem Auto hin. „Gestern waren wir schon auf der Alten Landebahn“, erzählt Hönicke, die normalerweise in Magdeburg arbeitet, aber angesichts des Hochwassers auf Arbeit bescheid gesagt hat. Helfen in Dessau ist jetzt einfach wichtiger, finden sie und die anderen drei. Sandsäcke füllen, Sandsäcke stapeln, wie hunderte Freiwillige andere auch.
Doch wo sich Freiwillige melden sollen, um eingeteilt zu werden, scheint nicht immer klar. Am frühen Nachmittag kommt die Meldung der Stadt, an der Alten Landebahn sind genug Helfer, dort würde niemand mehr gebraucht. Nur wenig später wird über soziale Netzwerke verbreitet, 100 bis 150 Helfer seien an der Friedensbrücke wichtig, um die zu sichern. Quelle der Information sei das THW.
Der Katastrophenstab widerspricht zum Teil. Denn richtig sei, die 100 bis 150 Helfer würden vom Sandsackplatz zur Friedensbrücke gefahren, neue Helfer müssten sich also nicht auf den Weg machen.
„Am besten ist es, die Leute melden sich an unseren Bürgertelefonen. Dort wird ihnen gesagt, wo Hilfe benötigt wird“, sagt Stadtpressesprecher Carsten Sauer. Zentraler Anlaufpunkt sei ansonsten der Sandsackplatz. Gestern Morgen dann wurden Leute in der Ludwigshafener Straße gebraucht, am Nachmittag an der Friedensbrücke. „Es ist toll, dass so viele helfen wollen“, sagt Sauer.
„Schippen macht hungrig“, weiß Uwe Weber seit Montag. Das Mitglied der Bürgerinitiative „Land braucht Stadt“ hat am Verpflegungsstützpunkt An der Alten Landebahn Position bezogen und sich dem leiblichen Wohl der fleißigen Sandsackfüller verschrieben. „Um die 1 000 Helfer waren mit Sicherheit schon im Einsatz“, bilanziert Weber gestern Mittag und freut sich über die große Hilfsbereitschaft der Dessauer.
Nicht so reibungslos läuft allerdings deren Verpflegung. „Es gibt zwischendurch mal Zeiten, da ist nichts da“, muss Weber zugeben. Nachdrücklich bittet er deshalb die Dessauer darum, Schnitten zu schmieren, Kuchen zu backen - kurzum alles Essbare an den Verpflegungsstützpunkt an der Einfahrt zum THW zu bringen. „Nichts ist schlimmer, als den hungrigen Helfern nichts anbieten zu können.“ Mit Getränken habe inzwischen das Städtische Klinikum ausgeholfen. Die Johanniter verpflegen die Helfer mit einer Suppe zur Mittagszeit. „Aber die ist schnell alle und der Tag, und auch die Nacht sind lang“, so Weber. Auch Mc Donalds und ein Pizzadienst lieferten schon an die Alte Landebahn und auch der Holzkohlegrill Merkel hat sein Kommen angesagt.
Seine Bitte verbreitete er gestern Mittag auch per mz-web.de. Gegen 18 Uhr äußerte er dann schon ein Dankeschön. „Es hat toll gewirkt, es haben viele sofort geholfen.“
Indes sind die 17 Helfer des Versorgungszuges der Johanniter Unfall-Hilfe seit Montagmorgen im Dauereinsatz. Unterstützt von freiwilligen Helfern, die mit Vesperpakete packen und Rettungsdienstlern, die gestern zu einer Fortbildung in dem Objekt waren.
150 Portionen Erbsensuppe waren Montagmittag gekocht, 720 Portionen Gulasch und Nudeln am Abend. Gestern Mittag wurden schon 870 Kartoffel-Gemüsesuppen ausgegeben, auch für den Abend waren so viele Essen bestellt. Dazu kommen Vesperpakete. „Wir bekommen unsere Anforderungen vom Amt für Katastrophenschutz“, sagt Johanniter-Regionalvorstand Marion Bretschneider. Bei 1 000 Portionen aber sei die Kapazitätsgrenze erreicht. Außerdem können diese 1 000 Essen natürlich nicht gleichzeitig ausgeliefert werden. Drei Autos sind damit unterwegs zum Stadion, zum Sandsackplatz, aber auch nach Waldersee zu den Kameraden der Feuerwehr und Törten sowie zum Stab.
Für den heutigen Tag werde eine zusätzliche Feldküche aus Düsseldorf erwartet. „Die haben sich sofort angeboten“, freut sich Marion Bretschneider über die Verstärkung, die dafür immer die Hilfe der Dessauer im Karneval in Düsseldorf erfahren. Wenigstens 500 Portionen werden die Düsseldorfer kochen können. Dann können die Dessauer Johanniter mal Luft holen. „Bis dahin überbrücken wir“, sagte Bretschneider gestern und freute sich, dass es auch schon Lob für die Nudeln mit Gulasch gegeben hat.