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Russische Gäste Russische Gäste: Heißer Ofen und kühles Bad

Von Heidi Thiemann 12.06.2003, 17:36

Roßlau/MZ. - Auch Nikita, Lena und die anderen Mädchen und Jungen hantieren mit ihren bemehlten Händen mit dem Schieber, sind ganz eifrig bei der Sache. Denn gerade haben sie ihre eigene Pizza bereitet - und die muss im 300 Grad heißen Ofen nur noch knusprig braun backen.

Kindergruppen sind bei Richard Stötzer regelmäßig in der Pizzeria Castello, aber es ist das erste Mal, dass sich der Chef dabei an sein Schulrussisch erinnern muss. Wo Worte fehlen, helfen Hände. Und am Ende haben die 22 jungen Gäste aus Russland alle eine "bolschoi" Pizza, die "charascho" aussieht und ebenso schmeckt.

Albina Karaseva, die die Kindergruppe betreut, kann nur staunen. "Die Kinder haben zum ersten Mal selbst eine Pizza gebacken. Sie sind sehr stolz. Und zu Hause werden sie sicher versuchen, selbst zu backen." Nach Hause geht es schon in zwei Tagen. Heute fährt die Gruppe nach Berlin, danach wird die Heimreise ins Brjansker Gebiet angetreten. Und mit im Gepäck haben die Mädchen und Jungen viele gute Erinnerungen an Deutschland. Und eben auch an Roßlau.

Dass sie überhaupt hier sein können, verdanken sie dem Verein "Hilfe für Tschernobylkinder in Brjansk" e. V. Drei Jahre, erzählt Albina Karaseva, haben sie gewartet, Ferien in Deutschland verbringen zu dürfen. "Zum ersten Mal haben wir begabten Kindern den Aufenthalt ermöglichen können. Die Kinder stammen alle aus sehr armen Familien", erklärt dazu Vereinsvorsitzende Ljuba Schmidt. Denn hauptsächlich engagiert sich der Verein, der in Elsnigk (Landkreis Köthen) ein Domizil für die Ferienkinder hat, für Waisenhäuser in und um Brjansk. Diesen Kindern gilt weiterhin die Fürsorge.

An die veränderten Bedingungen in Russland muss sich auch der Tschernobylkinderhilfe-Verein anpassen. Selbst humanitäre Transporte zu schicken - wie dies in den letzten Jahren regelmäßig der Fall war -, könne sich der Verein nicht mehr leisten, so Ljuba Schmidt. Doch in Albina Karaseva, die in ihrer Heimat nicht nur Lehrerin für Französisch und Deutsch ist, sondern auch Deputierte der Duma (russ. Parlament) im Brjansker Gebiet, will sie neue Möglichkeiten erschließen. So sollen nun von der Duma drei Lkw nach Deutschland geschickt werden, um die hier vorhandenen Hilfsgüter aufzuladen. In Roßlau, freut sich Ljuba Schmidt, "haben wir eine Halle, in der viele Spenden wie Möbel, Betten, Kleidung gelagert sind." All dies wird bedürftigen Menschen im Brjansker Gebiet helfen.

In Roßlau, sind Albina Karaseva und Ljuba Schmidt froh und dankbar, sind sie mit dem Hilfsprojekt auf offene Ohren gestoßen. Mit Bürgermeister Klemens Koschig haben sie interessante Gespräche geführt, und Christine Raschke vom Ordnungsamt hat Hilfsgüter an den Verein weitervermittelt und auch den gestrigen Ferientag organisiert. Da aber Frau Raschke selbst gestern nicht dabei sein konnte, betreute deren Tochter Daniela die russischen Gäste. Am Nachmittag stand der Besuch des Roßlauer Schwimmbades an.

Auf Hilfe aus Roßlau hofft Ljuba Schmidt auch künftig. Zum Beispiel, wenn das Projekt eines Bauernhofes in Reuden umgesetzt werden soll. In Unetscha in Russland hat der Verein eine ehemalige Kolchose gefunden, in der Waisenkinder eine Ausbildung und auch eine Arbeit erhalten sollen. Der Reudener Bauernhof soll dann eine Art Praktikumsstelle für die russischen Landwirte werden.