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Rocker aus Dessau Rocker aus Dessau: Tarantel hat schon die DDR mit Heavy Metal beschallt

Von Daniel Salpius 27.01.2019, 11:00
Ralf Pyka, Uwe Hollmich, Matthias Scholz, Jörg Hollmich, Florian Jäntsch, Kai Pyka (v. l.)
Ralf Pyka, Uwe Hollmich, Matthias Scholz, Jörg Hollmich, Florian Jäntsch, Kai Pyka (v. l.) Thomas Ruttke

Dessau - Es rumort, es rumpelt und röhrt unterm Räucherturm in Dessau. Dem Dröhnen auf den Fersen, führt der Weg über eine kahle Betontreppe hinab in den Keller, wo sich der Rabatz - je weiter man sich vorwagt - immer mehr nach Heavy Metal anhört. Und dann sitzt man plötzlich in der Falle, naja - in der Sackgasse: „Diese Tür ist zu!“, steht da von Hand geschrieben, als müsste diese unumstößliche Tatsache noch einmal extra betont werden.

Dahinter probt gerade die Dessauer Band Tarantel - in einer Lautstärke, dass einem in kürzester Zeit die Ohren klingeln. „Ich mach mich mal leiser“, sagt Bassist Florian Jäntsch. „Nein!“, ruft es postwendend aus vier anderen Kehlen. „Wir hören dich gar nicht.“ Er möge also lieber noch lauter machen.

Seit 1976 gibt es die Dessauer Band Tarantel

Tarantel sind Dessauer Urgesteine. Seit 1976 gibt es die Band und das, mehr oder weniger ohne Unterbrechungen. Wobei die Besetzungen so oft gewechselt haben, dass sie es gar nicht mehr zählen können. Die Gründungsmitglieder Ralf Pyka und Uwe Hollmich sind die Ausnahme und bis heute die Konstanten der Band.

An ihre erste Begegnung erinnern sich beide noch sehr genau. „Uwe stand eines Tages vor meiner Tür und ich dachte: Was ist das für einer hier mit Lederjacke. Hab ich Scheiße gebaut?“ In Erwartung einer Tracht Prügel, fragte Ralf Pyka schließlich, worum es denn gehe. Wie sich heraus stellte, hatte

ein gemeinsamer Bekannter Hollmich her geschickt. Und dann saßen sie auch schon in Pykas Keller und spielten zusammen auf ihren Ost-Gitarre. Nach einer Weile stand fest: „Wir müssen zusammen was aufziehen.“ Sie holen Uwes Bruder Jörg Hollmich mit an Bord, auch der spielt anfangs Gitarre, wechselte später jedoch ans Schlagzeug, das er - nach längerer Auszeit - seit 2017 wieder schier brutal beackert.

Coversongs von Jethro Tull, Thin Lizzy und Rory Gallagher

Mit weiteren Gleichgesinnten covern sie zunächst etwa Jethro Tull, Thin Lizzy und Rory Gallagher - klassischen Hard Rock. Die Musik besorgen sie in Bulgarien oder in Polen auf dem Schwarzmarkt. Die richtigen Noten hören sie in minuziöser Kleinstarbeit gemeinsam aus den Aufnahmen heraus.

Anfang der 80er Jahre besteht ihr Repertoire dann zunehmend auch aus Heavy Metal, vor allem Stücke der britischen Band Irion Maiden sind darunter. „Diese Musik wurde zu DDR-Zeiten fantastisch angenommen, es gab eine riesen Szene dafür“, erinnert sich Pyka. Mit zwei alten Framos touren sie fast jedes Wochenende durch die DDR, von Dresden bis Rostock. „Die Läden waren immer voll“, so Uwe Hollmich. Auf der Spitze ihres Erfolgs waren die Dessauer Vorband der Ostrocker von Electra.

Mitte der Nullerjahre hat sich Tarantel zur reinen Iron-Maiden-Tribute-Band entwickelt

Dabei wurden Tarantel vom DDR-Staat natürlich stets misstrauisch beäugt. Eine Spielerlaubnis erhielten sie zwar weitgehend problemlos, eine Laufbahn als hauptberufliche Musiker blieb ihnen jedoch verwehrt. Dabei hätten sie beim entsprechenden Vorspiel vor den Kulturfunktionären extra einen Titel von Karat gespielt, lachen Hollmich und Pyka. Auch in Sachen Titelliste wollte der Staat mitreden. „Die Vorgabe 60 Prozent Ost-Titel, 40 Prozent West haben wir trotz Kontrollen nie eingehalten.“

Mitte der Nullerjahre hat sich Tarantel zur reinen Iron-Maiden-Tribute-Band entwickelt. Der Umbruch kam mit Sänger Matthias Scholz. Der habe eben die Stimme dafür. Mit Florian Jäntsch am Bass und Pykas Sohn Kai an der Gitarre hat bei der Band eine Art Generationswechsel begonnen. Konzerte spielen die Dessauer immer noch regelmäßig, wenn auch nicht mehr so oft wie früher. Das nächste findet am 13. April im Cadillac in Dessau statt. (mz)