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Riskantes "Gefällt mir" Riskantes "Gefällt mir": Ex-Sparkassenangestellte siegt auch vor dem Landesarbeitsgericht

Von Steffen Könau 20.02.2013, 13:14
Die ehemalige Angestellte der Sparkasse Wittenberg
Die ehemalige Angestellte der Sparkasse Wittenberg Steffen Könau Lizenz

Halle/MZ - Es war nur ein einziger Klick, keine Sekunde dauerte es, bis der hochgereckte Daumen beim Sozialen Netzwerk Facebook erschien: „Gefällt mir“, hatte die Wittenberger Sparkassenangestellte Petra Sielvert (Namen geändert) unter einen Eintrag ihres Mannes Peter gesetzt. Der aber hatte es aus Sicht der Vorstände des Geldinstitutes in sich. „Habe mein Sparkassen-Schwein Thomas und Ralf getauft“, hieß es da, und zudem noch: „Eines Tages stehen alle Schweine vor dem Metzger.“ „Thomas“ und „Ralf“ sind die Vornamen der Bankvorstände, die sich auch durch das von Herrn Sielvert bei Facebook veröffentlichte Bild eines Fisches, der aus einem abgewandelten Sparkassen-Logo bestand, und den dazugehörigen Satz „Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken“ verunglimpft sahen.


Die Sparkasse reagierte prompt. Ein bereits mit Petra Sielvert ausgehandelter Auflösungsvertrag, der 110 000 Euro Abfindung vorsah, sollte nicht mehr gelten. Stattdessen wurde der 44-Jährigen umgehend gekündigt - ohne Abfindungszahlung. Mit dem Drücken des „Gefällt mir“-Buttons bei Facebook habe die Angestellte sich die Beleidigung ihres Mannes zu eigen gemacht, das rechtfertige einen Rauswurf ohne Abfindung.


Längst sind solche harten Reaktionen von Arbeitgebern und Behörden auf Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken kein Einzelfall mehr. In Bochum wurde ein Auszubildender gefeuert, nachdem er seinen Chef einen „Ausbeuter“ genannt hatte. In einem anderen Fall aber musste ein Mitarbeiter wiedereingestellt werden, obwohl er Arbeitskollegen als „Speckrollen“ beleidigte. 2012 erstattete sogar der damals noch als Bundespräsident agierende Christian Wulff Strafanzeige gegen einen Facebook-Nutzer, der ihn mit dem Fotokommentar, Wulffs Frau Bettina sehe aus wie ein „Blitzmädel im Afrika-Einsatz“, verunglimpft habe. Wulff fühlte sich zudem von dem Satz „hübsch, wenn dieser Herr daneben nicht wäre“ angegriffen, den Prozess ließ er erst wenige Stunden vor dem ersten Verhandlungstermin platzen, nachdem der 45-jährige Täter sich per Brief entschuldigt hatte. Der Schaden für beide Seiten war da aber bereits eingetreten: Aus dem privaten Kommentar war eine Staatsaffäre geworden.


Doch lernen fällt schwer in den Weiten des Datennetzes. Eben erst hat der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers zehn Feuerwehrleute suspendiert, nachdem ein Hauptbrandmeister bei Facebook geschrieben hatte: „Erst wenn der eigene Bürostuhl brennt, wird Herr Elbers erkennen, dass man mit Infopavillons keine Brände löscht.“ Neun Lösch-Kollegen hatten das mit „Gefällt mir“ markiert. Seit Jahren streiten die Stadtverwaltung und die 800 Feuerwehrmänner der Stadt wegen der Bezahlung von Überstunden - und den Brandhelfern gefällt das Agieren des Bürgermeisters offenbar gar nicht. Doch wie Christian Wulff und die Wittenberger Sparkassenchefs nahm auch der Politiker aus Nordrhein-Westfalen die bis dahin kaum öffentlichkeitswirksame Petitesse persönlich. Nicht nur der Hauptbrandmeister, sondern auch seine neun sogenannten „Liker“ (siehe: „Ein ,Gefällt mir’...“) wurden bestraft. Erst nach einer Protestwelle und einer öffentlichen Entschuldigung durften sie wieder zum Dienst antreten.


Eine Entschuldigung liefert auch die frühere Sparkassenangestellte Petra Sielvert, die in blauem Pulli und schickem Halstuch in Saal 40.38 sitzt und um ihre Abfindung kämpft. In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Dessau die Kündigung ohne Abfindung verworfen, hier in der zweiten lässt Richter Joseph Molkenbur schnell erkennen, dass sein Urteil kaum anders lauten wird.


„Wahrscheinlich“, sinniert der Richter, „wäre es für alle besser gewesen, wenn man sich gefragt hätte, ob man nicht einfach die Klappe hält“. Jetzt aber habe das Verfahren eine Öffentlichkeitswirkung entwickelt, „die beide Seiten nicht wünschen können“. Die vermeintliche Beleidigung durch den „Gefällt mir“-Klick sei nun öffentlich bekannt, je länger das Verfahren dauere, desto höhere Wellen schlage es. „Es gibt ja noch nicht so viele Prozesse zu diesen Dingen.“ Molkenburs Mahnung: „Deshalb frage ich mich, ob Sie nicht vielleicht doch eine Möglichkeit sehen, sich ohne Urteil zu einigen.“


Sehen sie. Nur eine Viertelstunde dauern die Verhandlungen über Ende und Abwicklung der Wittenberger Facebook-Affäre. Das Ergebnis ist eindeutig, ein Matt in wenigen Stichpunkten. Petra Sielvert äußert ihr Bedauern über den verhängnisvollen Klick. Und bekommt dafür ihre Abfindung plus Gehaltsnachzahlung und außerdem ein „wohlwollendes Zeugnis“ der Sparkasse.

Auch wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat, verletzt der Arbeitnehmer mit einer intensiven zeitlichen Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zugreift. Diese Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein. (BAG, Urteil vom 7. 7. 2005 - 2 AZR 581/04; LAG Rheinland-Pfalz) (Quelle: Lexetius.com)

Eine Person in einem Internetforum in Auseinandersetzung mit deren Beiträgen als "rechtsradikal" zu betiteln, ist ein Werturteil und grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 17. September 2012 und hob daher die angegriffenen Unterlassungsurteile auf. Es oblag anschließend den Zivilgerichten, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der kritisierten Person abzuwägen. (BVerfG, Mitteilung vom 13. 11. 2012 - 77/12 (Lexetius.com/2012,5046) (Quelle: Lexetius.com)

Der Beschwerdeführer ist Stadtratsmitglied. Während einer Rede zur kommunalen Integrationspolitik erwähnte er, dass er selbst früher in einem bestimmten Stadtteil das Gymnasium besucht habe. Diese Ausführungen unterbrach ein anderes Ratsmitglied durch einen Zwischenruf, der nach der bestrittenen Darstellung des Beschwerdeführer folgenden Inhalt hatte: "Der war auf einer Schule? - Das kann ich gar nicht glauben!". In Erwiderung hierauf bezeichnete der Beschwerdeführer den Zeugen als "Dummschwätzer". Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 €. Die Revision des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die Entscheidungen der Gerichte wegen der Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) auf. Weder der Bedeutungsgehalt der Äußerung des Beschwerdeführers noch der vom Amtsgericht festgestellte Kontext tragen die Annahme einer der Abwägung entzogenen Schmähung des Zeugen. (BVerfG, Mitteilung vom 30. 12. 2008 - 110/08)  (Quelle: Lexetius.com)

Der Beschwerdeführer, ein früherer Kreisvorsitzender der Republikaner, hatte im November 2000 den damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland in einer Presseerklärung als "Zigeunerjude" bezeichnet. Im Hinblick auf diese Äußerung wurde der Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde, mit der er unter anderem die Verletzung seiner Meinungsfreiheit rügte, war erfolglos.
(BVerfG, Mitteilung vom 29. 7. 2005) (Quelle: Lexetius.com) 

Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag oder durch Kündigung der Schriftform. Ein mündlich geschlossener Auflösungsvertrag ist danach ebenso unwirksam wie eine mündlich erklärte Kündigung. Es verstößt in aller Regel nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich derjenige, der in einem kontrovers geführten Gespräch eine Kündigung ausgesprochen oder sich mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt hat, nachträglich darauf beruft, die Schriftform sei nicht eingehalten. (BAG, Mitteilung vom 16. 9. 2004 - 64/04)  (Quelle: Lexetius.com)