1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Retter der Ruine: Retter der Ruine: Ein Paar aus Dessau saniert ein Haus in der Schillerstraße

Retter der Ruine Retter der Ruine: Ein Paar aus Dessau saniert ein Haus in der Schillerstraße

Von Thomas Steinberg 06.09.2017, 08:44
Sören Wölk vor dem Haus in der Schillerstraße - es ist einiges zu tun.
Sören Wölk vor dem Haus in der Schillerstraße - es ist einiges zu tun. Lutz Sebastian

Dessau - Das Gebäude war ihm wohlvertraut. Regelmäßig kam Sören Wölk an ihm vorbei, denn er und seine Familie wohnen nur einige Häuser entfernt.

Seit Jahrzehnten stand die Schillerstraße 4 in Dessau-Nord leer, Wölk vermutet seit den 70er Jahren. Die Schäden stammen aus drei Epochen: dem Krieg (es wurde 44 oder 45 bei der Bombardierung schwer getroffen), der DDR-Zeit und der Nachwende-Ära.

Es blieb die erbarmungswürdige Ruine inmitten einer Zeile mehr oder minder aufwändig sanierter Gründerzeithäuser. Die oberen Fenster wirkten wie Teil einer Kulisse. Niemand schien sich dieses einen Hauses erbarmen zu wollen.

Es war nicht einfach den Besitzer der Schillerstraße 4 ausfindig zu machen

Bis die Wölks anfingen zu überlegen: sollte man, könnte man? Freunde und Bekannte zeigten sich skeptisch, ob das Projekt zu stemmen sei.

Der 37-jährige Wölk, der in Dessau Facility Management und in Rostock Umweltschutz studiert hat und in der Landesverwaltung mit Bau zu tun hat, steht vor der eingezäunten Baustelle Schillerstraße 4 und erzählt von den ersten Recherchen, während drinnen die Elektriker zugange sind.

Es sei nicht ganz einfach gewesen, die Besitzerin ausfindig zu machen. Diese und ihr Mann hatten das Haus nebst dem benachbarten gekauft, dieses ausgebaut, jenes liegen lassen und auch mal über einen Abriss nachgedacht, um Parkplätze anbieten zu können.

Ruinengrundstücke sind ein konstantes Problem in Dessau-Nord

Zum Abriss kam es nicht, die Zeit verstrich, und die mittlerweile verwitwete Eigentümerin war froh über das plötzliche Interesse aus Dessau, das zumindest an einer Stelle ein konstantes Problem im Stadtteil Nord behebt: Noch immer finden sich dort Ruinengrundstücke oder Kriegslücken, letztere mal notdürftig gefüllt mit wucherndem Grün oder Parkplätzen.

Als die Wölks zum ersten Mal das Gebäude in der Schillerstraße betraten, waren sie etwas überrascht, es halbwegs trocken vorzufinden. „Der Gewölbekeller und das Erdgeschoss waren komplett erhalten.“

Vom Ober- und Dachgeschoss hingegen existierten nur Bruchstücke – an nicht wenigen Gebäuden in Dessau-Nord wurden die schwersten Kriegsschäden in viereinhalb Jahrzehnten nie repariert. Immerhin: die bauzeitliche Treppe hat die Zeiten tatsächlich überstanden.

Sanierung in der Schillerstraße soll erhalten, was zu erhalten ist

Wölks und die Eigentümerin wurden sich handelseinig, das Haus verkauft. Die Wohnung im Erdgeschoss war noch eingerichtet. Ein Jahr dauerte die Entrümplungsaktion, beinahe genauso lange die Planung.

Wölk will bei der Sanierung erhalten, was zu erhalten ist, wie einen Großteil der mit Backstein und Bossenputz gestalteten Fassade. Andererseits will er keine heile Welt vorgaukeln. Was weg ist, ist weg und wird bewusst so erneuert, dass der Unterschied zur alten Substanz sichtbar wird.

Hinter der Fassade weicht die Rekonstruktion vom Original ab

Auch hinter der Fassade weicht die Rekonstruktion vom Original ab: Das Dachgeschoss entfällt, die Wohnung im zweiten Geschoss erhält dafür eine riesige Dachterrasse.

Auf dem gen Süden geneigten Pultdach wird eine Solarthermie-Anlage montiert. „Wir mussten nicht so groß bauen, eine Wohnung ist für uns, eine für Verwandte, nur die dritte soll vermietet werden.“

Wann die Wölks mit ihren beiden Kindern einziehen wollen? „In diesem Jahr – aber das sagt wohl jeder in dieser Situation.“ (mz)