Raub im Rathauscenter Raub im Rathauscenter: Messer nur erfunden? Bewährungsstrafe für Angeklagten

Dessau - „Ich hätte mir die Arbeit sparen können.“ Sven Tamoschus, Verteidiger von Hamdi S. (Name geändert), war voll des Lobes für sein Gegenüber Arthur Prause, den Staatsanwalt. Selten habe er so ein zutreffendes Plädoyer gehört. Also eines, das seiner, des Verteidigers Auffassung, so nahe komme.
Vorwürfe der Anklage haben sich im Prozess gegen einen Syrer nicht bestätigt
Als eine knappe Stunde später das Urteil verkündet wird, ist es das Ende eines Prozesses, der dem 1994 in Damaskus geborenen S. etliche Jahre Knast hätte bescheren können - wenn sich die Vorwürfe der Anklage bestätigt hätten: Ein bewaffneter Raub reicht für fünf Jahre.
Doch nach einigen Verhandlungstagen zeigte sich: Etliche Vorwürfe aus der Anklage lassen sich nicht beweisen und basieren wohl vor allem auf überreichlich ausgeschmückten Schilderungen der Opfer, in denen ein wertloser Ring angeblich 1.000 Dollar kostet.
Am einfachsten tut man sich im Landgericht Dessau noch mit dem Vorfall in einer Dessauer Innenstadt-Kneipe. S. hatte dort wegen Zechprellerei Hausverbot. Aber vielleicht weil er selbst gekommen war, die Rechnung beglichen und um Entschuldigung gebeten hatte, ließ man ihn weiter in die Kneipe. Bis Ende Juli 2019.
Hinter der Theke stand eine Mitarbeiterin - privat in der Kneipe - und mokierte sich über S.’ Anwesenheit, wollte ihn rauswerfen, winkte einen Gast heran, der ihn von hinten packte und kurzerhand vor die Tür trug. Draußen abgestellt, griff S. zum Pfefferspray. Notwehr, meinte Verteidiger Tamoschus, das Gericht verneinte, denn die Handlung, gegen die S. sich möglicherweise zu Recht hätte wehren dürfen, nämlich das Heraustragen, war beendet.
Angeklagter ist eine widersprüchliche Person
Hamdi S. ist eine widersprüchliche Person: Er sei ein unberechenbarer Drogenkonsument gewesen, schildern Polizisten. Auf der anderen Seite ist S. selbst vom Stoff losgekommen - auch mit Hilfe von auf dem Schwarzmarkt besorgten Medikamenten. Er hat keinen Job gefunden, beherrscht Deutsch aber so gut, dass er auch im Gerichtssaal nur selten den Dolmetscher fragt.
Sieht man ab vom Vorfall in der Kneipe, werden als Opfer und Zeugen immer wieder Flüchtlinge aufgerufen. Kein Wunder, erklärt ein Zeuge, selbst Migrant: „Dessau ist ein Dorf, wir kennen uns alle.“
Im Februar trifft S. im Rathauscenter auf einen Afghanen, der ihm angeblich einen kleineren Geldbetrag schuldet. Der Zeuge bestreitet das - es geht um irgendeinen Gefallen, der geleistet wurde oder nicht. S. gibt zu, den Mann auf der Straße geschlagen zu haben. Aber er bestreitet ebenso wie mehrere Zeugen, dass er ein Messer gezogen habe. Von dem sprach das Opfer auch erst bei einer späteren Vernehmung.
Urteil ist rechtskräftig - Angeklagter und Staatsanwalt akzeptieren es noch im Gerichtssaal
Ein Messer sollte auch in einem anderen Fall eine Rolle gespielt haben. Hier hatte S. sich von einem Afghanen einen billigen Ring zeigen lassen und diesen eingesteckt. Als Pfand, weil der andere ihm angeblich 30 oder 40 Euro schulde.
Auch hier konnte kein Zeuge, auch die alarmierten Polizisten nicht, ein Messer feststellen. So kommt S. am Ende noch mit einer Bewährungsstrafe davon, auch, weil er sich offensichtlich gegen den Rat seines Anwalts eingelassen hatte. Noch im Gerichtssaal akzeptieren S. und der Staatsanwalt das Urteil, was damit rechtskräftig ist. (mz)