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Quarantäne statt Karibik Quarantäne statt Karibik: Warum Reisefachfrau Kerstin Voigt im Gesundheitsamt hilft

Von Oliver Müller-Lorey 15.03.2021, 13:41
Kerstin Voigt in ihrem Reisebüro.
Kerstin Voigt in ihrem Reisebüro. Ruttke

Dessau-Rosslau - Heute war wieder einer der schlechteren Tage. Einer, an dem sie viele positive Coronatests ans Gesundheitsamt gemeldet haben. Für Kerstin Voigt bedeutet das: viel telefonieren.

Die Dessauerin ist in dem Teil der Behörde angestellt, in dem die Kontaktnachverfolgung stattfindet. „Sie wurden positiv getestet, mit wem hatten Sie Kontakt? Wann war das? Wie lange war das? Sie müssen jetzt in häusliche Quarantäne.“ Viele der Telefonate, die Voigt bei ihrer Arbeit führt, klingen gleich. Meistens sind es keine guten Nachrichten, die sie überbringt.

Hauptberuflich führt Kerstin Voigt ein Reisebüro am Albrechtsplatz in Dessau

Für Voigt war das eine neue Erfahrung, denn hauptberuflich führt sie ein Reisebüro am Albrechtsplatz und greift dort zum Hörer, wenn Kunden ihr begeistert von ihrem Urlaub erzählen oder wenn es um die Buchung einer Traumreise geht. Doch wegen der Corona-Pandemie verreist gerade kaum noch jemand. Um finanziell über die Runden zu kommen und ihren Beitrag zum Kampf gegen die Pandemie zu leisten, arbeitet sie seit zwei Monaten vormittags im Gesundheitsamt.

Das Robert-Koch-Institut habe Freiwillige gesucht, um die Verwaltungsmitarbeiter zu unterstützen.  „Wir Reisebüro-Mitarbeiter telefonieren sowieso viel, wir sind erfahren im Kundenkontakt, deshalb sind wir eingestellt worden“, sagt Voigt. Doch das sei natürlich nicht der einzige Grund. „Im vergangenen Jahr war ich schon nur mit Stornierungen beschäftigt, und jetzt ist es wieder so. Wenn eine Reise abgesagt wird, bekommt das Reisebüro gar nichts. Viele wissen das nicht“, sagt sie.

Monatelang hat Kerstin Voigt vor allem Reisen storniert - und keinen Cent daran verdient

„Monatelang habe ich weitergearbeitet und keinen Cent dafür bekommen. Ich habe nichts anderes gemacht als Reisen zu stornieren“, sagt die Selbstständige, die zusammen mit anderen aus der Reisebranche im vergangenen Jahr mit Demonstrationen in Magdeburg und Berlin auf ihr Schicksal aufmerksam machte. „Da siehst du einfach deine Felle davonschwimmen.“

Nun arbeitet sie also halb und halb: Vormittags im Gesundheitsamt, nachmittags im Geschäft, das sie seit Montag wieder für Kunden mit Termin öffnen darf. Im Vorfeld sei sie intensiv für die Arbeit im Gesundheitsamt  geschult worden. Die Arbeit mache ihr sogar Spaß.

Das mag auch daran liegen, dass die Reisebüroinhaberin damit nicht nur Geld verdient, sondern mit jedem nachverfolgten Kontakt der Pandemie auch ein kleines bisschen Kraft nimmt. Ihr Kampf gegen die Pandemie, das ist auch ein Kampf für niedrigere Inzidenzen, Lockerungen und schließlich mehr Urlaubsbuchungen.

Mit Prognosen über künftige Urlaube tut sich Kerstin Voigt inzwischen schwer

Die seien bisher aber noch nicht in Sicht. „Als ich im Herbst gefragt wurde, ob man schon buchen kann, habe ich gesagt: ,Na klar können Sie im Sommer wieder verreisen’. Jetzt bin ich vorsichtiger. Ich habe keine Glaskugel.“ Voigt rät ihren Kunden, auf die Einschätzungen des Auswärtigen Amtes, das Reisewarnungen herausgibt, zu achten und Pauschalreisen zu buchen. Damit sei man im Fall von Absagen besser abgesichert als Individualreisende es sind.

Als im März 2020 auch in Dessau-Roßlau die ersten Coronafälle auftraten, habe sie überlegt, aufzugeben. „Aber ich bin mit diesem  Reisebüro 30 geworden. Erst als Angestellte, inzwischen als Inhaberin“, sagt sie. „Das gibt man nicht einfach auf.“ Voigt hat, trotz der schwierigen Umstände, die Hoffnung nicht verloren.

Ihre Angestellte, die im März 2020 bei ihr zu arbeiten begann, ist zwar seit Juli nicht mehr dabei. „Ich habe ihr gesagt, dass sie natürlich etwas anderes machen darf, wenn sie etwas findet. Ich kann doch von ihr nicht verlangen, für 60 Prozent Kurzarbeitergeld in Lauerstellung bei mir zu bleiben. Aber ich habe ihr auch gesagt, dass sie jederzeit wieder bei mir anfangen kann. Wenn sie will, und diese Pandemie irgendwann vorbei ist.“ (mz)