Präsident ehrt einen Zerbster Pfarrer im «Unruhestand»
Zerbst/MZ. - Dass der in Breslau, dem heutigen Wroclaw, geborene 77-jährige Pfarrer im Ruhestand sich für die Bewahrung schlesischer Kultur und Tradition einsetzt, dass er schon vor der Wende Kontakte zur deutsch-evangelischen St. Christophorigemeinde in Wroclaw knüpfte und dass es dank seines Wirkens heute einen regen Austausch zwischen deutschen und polnischen Schlesiern fernab von platter Heimattümelei und rückwärts gewandten Ansprüchen gibt, das war Bundespräsident Horst Köhler eine der höchsten Ehrungen wert, die Deutschland zu vergeben hat.
"Der Glaube ist unser wesentlicher Unterschied zu den anderen Schlesierverbänden, wir legen Wert auf unsere kirchliche Herkunft", erklärt Lischke, der 1992 innerhalb der Gemeinschaft evangelischer Schlesier mit Diakon Heinz Stumpe aus Neinstedt die "Landesarbeitsgemeinschaft Anhalt" gegründet hat. "Wir sind offen für alle, die sich für Schlesien und für Völkerverständigung interessieren", weist der Pfarrer im "Unruhestand" darauf hin, dass der Gemeinschaft auch Katholiken angehören.
Seine erste, noch private Reise nach Wroclaw unternahm der damalige Pfarrer an der Kirche in Dessau-Alten 1964. Drei Jahre später hielt er in der dortigen Christophori-Kirche vor der deutschen Gemeinde eine Predigt. 1972 unternahm er, nun Pfarrer an St. Trinitatis / St. Nicolai in Zerbst, die erste Fahrt mit der Jungen Gemeinde nach Schlesien. Von nun an fuhren Zerbster Christen in jedem Jahr mit mehreren Bussen zu ihren Glaubensbrüdern nach Polen, bis das die DDR-Behörden im Zusammenhang mit der Solidarnoscz-Bewegung 1979 untersagt haben.
Seit der Wende sind diese Besuche wieder möglich, die inzwischen von den polnischen Christen erwidert werden. Von Pfarrern aus Anhalt gehaltene Predigten in der Kirche Wang im Riesengebirge und der Christophorikirche Breslau sowie Auftritte Evangelischer Posaunenchöre aus Anhalt-Zerbst in Polen sind längst keine ungewöhnlichen Ereignisse mehr. Darüber hinaus unterstützen die deutschen Schlesier polnische Gemeinden in ihrer kirchlichen Arbeit mit Spenden.
Einen deutlichen Wandel sieht Pfarrer i.R. Heinz Lischke in den letzten 20 Jahren im Verhältnis zwischen Polen und Deutschen. Die Vorbehalte gegenüber den Deutschen waren groß, seien es bei den älteren Polen immer noch. "Aber bei der jüngeren Generation ist das anders. Die Jugendlichen kommen während unserer Besuche auf uns zu und fragen nach unseren Erfahrungen", berichtet Lischke. Dass die jungen Polen auch in Zukunft freundschaftliche Antwort erhalten, dass sie sich regelmäßig bei Besuchen in Anhalt ihr eigenes Bild machen können, ist das Verdienst Heinz Lischkes und seiner Mitstreiter in der Gemeinschaft der Schlesier.
Sein Weg vom gelernten Technischen Zeichner über den noch im Frühjahr 1945 zum Kriegsdienst rekrutierten Hitlerjungen, der fünf Jahre in Lagern Sibiriens zubringen musste, bis zum bekennenden Christen, ist demnächst in einem Buch nachzulesen. Einen Tag vor seiner Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz hat Heinz Lischke sein Werk "Die Umkehr" zum Druck freigegeben.