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Politik in Dessau Politik in Dessau: Koschig: "Stadt hat Strahlkraft"

04.01.2014, 10:51
Oberbürgermeister Klemens Koschig an seinem Schreibtisch im Rathaus.
Oberbürgermeister Klemens Koschig an seinem Schreibtisch im Rathaus. Lutz SEBASTIAN Lizenz

DESSAU/MZ - Der Streit an der Rathausspitze, die Flut im Juni, das Debakel um die Friedensbrücke, die Posse um Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt, der Kampf um das Anhaltische Theater: Was für ein Jahr 2013! MZ-Redakteur Steffen Brachert sprach darüber mit Oberbürgermeister Klemens Koschig.

In Ihrer Kolumne im Amtsblatt haben Sie 2014 zum „Jahr der Weichenstellungen“ ernannt. Warum?

Koschig: Die letzte große Weichenstellung für Dessau-Roßlau war die Fusion der beiden Städte zum 1. Juli 2007. Es gab eine neue Stadt, einen neuen Stadtrat und einen neuen Oberbürgermeister. Vier Roßlauer und zehn Dessauer Ortschaftsräte wurden zu 14 Dessau-Roßlauer Ortschaftsräten. Alle wurden damals nicht für fünf, sondern für sieben Jahre gewählt. Diese Zeit läuft 2014 ab. Die Weichen in Dessau-Roßlau werden neu gestellt.

Sie wollen bei diesen Weichenstellungen weiter mitwirken und haben angekündigt, bei der Wahl Ende Mai 2014 wieder anzutreten. Sie haben Dessau-Roßlau als „aufstrebende Kultur- und Sportstadt mit überregionaler Strahlkraft bezeichnet“. Angesichts der Situation beim Dessau-Roßlauer HV, am Bauhaus und am Theater hat da manch einer konsterniert den Kopf geschüttelt.

Koschig: Die Situation am Bauhaus, am Theater, das hat mich im vergangenen Jahr auch persönlich sehr in Anspruch genommen. Ich habe mich stark eingebracht, Verhandlungsrunden im Sinne Dessau-Roßlaus gefordert und geführt. Man muss aber auch feststellen: Beim Bauhaus und beim Theater sind uns als Stadt und damit auch mir als Oberbürgermeister die Hände gebunden. Die entscheidenden Weichen werden hier von Land und Bund vorgegeben. Trotzdem bin ich überzeugt: Es wird Lösungen geben. Es wird weitergehen. Die Stadt hat Strahlkraft und wird weiter Strahlkraft entwickeln.

Das klingt nach Zweckoptimismus.

Koschig: Bei allen Problemen: Es gab 2013 Weichenstellungen für die Zukunft: Das Ensemble Meisterhäuser wird in diesem Jahr fertig. Das Bauhaus-Museum wird bis 2019 gebaut. Das sind für die Zukunft der Stadt wichtige Entscheidungen. Das sind Riesenchancen. Diese Möglichkeiten gilt es gemeinsam zum Wohl unserer Stadt zu nutzen.

Dem entgegen steht oft die fehlende Einigkeit in der Stadt, das Misstrauen zwischen Stadtverwaltung und Stadtrat. Das beklagen Sie seit vielen Jahren.

Koschig: Es gibt diesen Spruch: Einigkeit macht stark. Als drittes Oberzentrum im Land, als kleinstes, ist dieser Spruch hier wichtiger als anderswo. Ich hoffe auf einen Neubeginn nach den Wahlen. Ich hoffe, dass die großen Themen stärker vereinen und dass das „große Ganze“ stärker im Fokus steht als persönliche oder parteipolitische Interessen.

Ein hehrer Wunsch.

Koschig: Man hat manchmal den Eindruck, dass der Stadtrat im Versuch, Dinge zu befördern, Beschlüsse fasst, die das Gegenteil bewirken. Ich denke nur an den Bebauungsplan für das Bauhaus-Museum. Da war alles klar und im Bauausschuss abgestimmt. Dann wird das Einzugsgebiet vergrößert – ohne eindeutige Grenze, ohne die Mehrkosten zu benennen. Das wirft uns ein Vierteljahr zurück. Unnötig. Ich erhoffe mir, dass sich die Ausschussarbeit stärker in der Stadtratsarbeit wiederfindet – und nicht, dass dort Beschlüsse umgekehrt werden. Und ich lade unsere Räte offen dazu ein, dass mehr das Gespräch mit der Verwaltung gesucht wird. Wir sind dazu bereit.

Hat die Stadt ein Problem, positive Schlagzeilen zu produzieren?

Koschig: Die Beantwortung dieser Fragte liegt nicht zuletzt auch immer an den berichtenden Medien. Ich kann eine Frage positiv oder negativ formulieren. Das wissen Sie besser als ich. Aber konkret: Wenn ich nur an den Protest gegen den Nazi-Aufmarsch im März denke: 2.500 Bürger haben dort eine Menschenkette um das Stadtzentrum gespannt. Was für ein Zeichen! Das wäre mehr positive Schlagzeilen wert gewesen.

Viele Probleme aber sind hausgemacht. Im Frühjahr ist die Situation an der Rathausspitze eskaliert – und im Abwahlverfahren gegen Wirtschaftsdezernent Joachim Hantusch kulminiert. In letzter Sekunde gab es eine Einigung, eine gemeinsame Erklärung – viele Ihrer Mitstreiter im Stadtrat fühlten sich von Ihnen brüskiert.

Koschig: Ich habe damals die Notbremse ziehen müssen. Es war deutlich erkennbar, dass der Abwahlantrag scheitert. Der Rat wollte das Prozedere trotzdem durchziehen. Die Verständigung der Rathausspitze war der einzige Ausweg im Interesse unserer Stadt, noch das Beste aus dieser Situation zu machen.

Was wird jetzt anders gemacht?

Koschig: Wissen Sie, bei mir und das gilt insbesondere für die Mitarbeiter der Verwaltung, darf nicht nur jeder eine Meinung haben, er darf sie auch einbringen. Ich fahre niemandem über den Mund. Wir diskutieren, bis wir zu einer Lösung kommen und vertreten diese dann gemeinsam.

Im Juni hat das Hochwasser die Stadt bedroht. Wie nimmt man als Oberbürgermeister diese Situation wahr?

Koschig: Es ist eine wahnsinnige Last, die man schultern muss, wenn man kurz nach 4 Uhr den Anruf bekommt mit den aktuellen Pegelvorhersagen, wenn man dann durch die halbleere Stadt und im Regen zum Katastrophenstab fährt. Da hat man sofort wieder die Bilder von Waldersee und Roßlau 2002 im Kopf. Doch die Aufregung hat sich gelegt, als ich sah, wie professionell und unaufgeregt unser Katastrophenstab gearbeitet hat, wie da jedes Rad ins andere gegriffen hat. Wir waren vorbereitet und konnten immer agieren, mussten nur selten reagieren.

Die Katastrophe hat gezeigt, dass die Stadt zusammensteht, wenn es notwendig ist, wenn Helfer gebraucht werden. Warum ist dieses Wir-Gefühl so selten?

Koschig: Hier sind wir wieder bei den positiven Schlagzeilen. Wie kommen Sie darauf, dass es so selten ist? Zur Dessau-800-Feier war deutlich zu spüren, dass die Leute hier stolz sind auf ihre Stadt, dass es da eine Identifikation gibt. Wir werden 2014 die Identität noch weiter stärken, wollen die Kommunikation in der Stadt verbessern, das Innenmarketing vorantreiben, um nach außen deutlich positiver wahrgenommen zu werden.

Das wäre Aufgabe einer Stadtmarketinggesellschaft, über deren Gründung seit Jahren geredet wird. Noch immer steht nicht fest, wie man Stadtmarketing machen will.

Koschig: Mit dem Sachgebiet Stadtmarketing haben wir den Anfang gemacht und viel auf den Weg gebracht. Drei mögliche Modelle stehen zur Wahl. Welches wir umsetzen, wird 2014 entschieden.

2014 entscheidet sich auch, wie es mit dem Anhaltischen Theater weitergeht. Es sieht nicht gut aus.

Koschig: Das Land Sachsen-Anhalt bürdet uns hier enorme Mittelkürzungen auf. Es war ein wahres Klinkenputzen und ein unsäglich langer Prozess, bis wir überhaupt mit unseren Argumenten, Zahlen und konstruktiven Vorschlägen durchdringen konnten.

Trotzdem steht Dessau-Roßlau noch ohne Theater-Vertrag da.

Koschig: Wir haben seit dem 5.?November ein Verhandlungsmandat, unser Angebot liegt seit acht Wochen in Magdeburg. Leider haben wir bis heute keinen Vertragsentwurf des Landes vorliegen.

Trotzdem wird das Anhaltische Theater in Zukunft nicht mehr so aussehen, wie es die Dessau-Roßlauer kennen.

Koschig: Mit den finanziellen Vorgaben des Landes ist das Ende des Vier-Sparten-Hauses besiegelt. Wir kämpfen jetzt um ein Musik-Theater, das ein Vier-Sparten-Angebot vorhält. Alle anderen von uns ins Gespräch gebrachten Varianten – das Staatstheater-Modell, eine Umlandfinanzierung – sind im Land nicht mehrheitsfähig.

In Sachen Staatstheater gibt es die Option einer Klage.

Koschig: Eine solche habe ich vorbereiten lassen, sie liegt in der Schublade. So lange wir verhandeln, bleibt sie dort auch. Wenn das Angebot des Landes nicht hinnehmbar ist, ist sie aber die Ultima Ratio.

Die nächste Baustelle ist das Bauhaus: Im Gezerre um die Zukunft von Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt hatte die Stadt eine schwierige Position. War Ihr Verhalten beim Umlaufverfahren - die handschriftlichen Notizen zur neuerlichen Bewerbung von Oswalt – das maximal Machbare?

Koschig: Das kann man noch nicht sagen. Doch natürlich waren beim Land in Magdeburg Vorentscheidungen getroffen, die ein Agieren schwierig gemacht haben. Mein Ziel war die Pole Position für Philipp Oswalt. Ich hoffe auf eine neuerliche Bewerbung von ihm.

Hängt an der Personalie Philipp Oswalt die Debatte um die Bauhausstadt Dessau? Die Diskussion um eine Umbenennung der Stadt und das Bürgerbegehren dagegen haben die Stadt geprägt - und geteilt.

Koschig: Ich bin dafür, den Weg fortzusetzen, den der Masterplan Bauhausstadt aufzeigt. Ich verspreche mir auch Rückenwind aus Berlin: Im Koalitionsvertrag ist das Bauhaus-Jubiläum ausdrücklich festgeschrieben. Wichtig ist, dass wir die Finanzierung des Bauhaus-Museums schnell glatt gezogen bekommen. Ich setze auch große Hoffnungen in die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

2014 wird ein Jahr der Weichenstellungen – und damit auch ein Frühjahr des Wahlkampfes. Worauf hoffen Sie?

Koschig: Dass man mir bei aller Kritik, die angebracht wird, berechtigt oder nicht, eine weitere Wahlperiode das Vertrauen schenkt. Aus meinem Demokratieverständnis heraus ist selbstverständlich, dass ich mich noch einmal dem Votum der Bürger von Dessau-Roßlau stelle. Viele Projekte und Prozesse sind nach intensiven Jahren mit Phasen der Einarbeitung und Umstrukturierung auf den Weg gebracht. Für mich ist es wichtig, diese Arbeit gemeinsam mit der Verwaltung kontinuierlich fortsetzen zu können.

Sie sind seit einigen Wochen bei Facebook aktiv. Ist das schon Wahlkampf?

Koschig: Auch ich will und werde mich den neuen Medien nicht verschließen. Es ist interessant zu sehen, welche Themen dort wie diskutiert werden. Bürger sagen offen und ehrlich ihre Meinung zu bestimmten Sachverhalten. Das finde ich Klasse. Aber: Facebook wird im Dessau-Roßlauer Wahlkampf nicht die Hauptbühne sein.