Podiumsdiskussion Podiumsdiskussion: Betreuer fordern Zweckbindung
Zerbst/MZ. - Ist offene Jugendarbeit mit den wenigen, zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt noch finanzierbar? - Mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmer einer vom Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt sowie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband organisierten Podiumsdiskussion "Jugend braucht Zukunft" in Zerbst.
Teilnehmer der gut besuchten Diskussionsrunde waren Kommunalpolitiker, Vertreter von Trägern von Jugendeinrichtungen, Sozialpädagogen, Lehrer, Angestellte der Verwaltungen und weitere Gäste. Die Moderation übernahmen Petra Nickel, Leiterin der Regionalstelle Dessau des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, und Torsten Böek als Vorstandsmitglied des Kinder- und Jugendringes Sachsen- Anhalt.
Der Magdeburger machte auf die geplanten finanziellen Kürzungen im sozialen Bereich durch die Landesregierung aufmerksam. Ingeborg Bräutigam vom Evangelischen Jugendzentrum Loburg schien vielen Anwesenden aus dem Herzen zu sprechen, als sie die unbedingte Notwendigkeit der von der Streichung bedrohten 240 Feststellen im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Sachsen- Anhalt sprach. Betreut würden von diesen Mitarbeitern zumeist Jugendliche aus sozial schwachen Familien, gab Bräutigam zu bedenken. "Vertrauen kann ich nicht in Tagen oder Wochen aufbauen, dafür bedarf es länger", erklärte die Jugendpflegerin.
Heike Fräßdorf von der Stadtjugendpflege Zerbst warnte davor, noch mehr Kürzungen im Bereich der Jugend vorzunehmen. "Was wir heute sparen, zahlen wir in einigen Jahren im Bereich der Justiz wieder drauf", so die Zerbsterin.
Leicht optimistisch zeigte sich Torsten Böek in Bezug auf die Vergabe von finanziellen Mitteln durch das Land Sachsen- Anhalt. Die Jugendpauschale etwa werde an die Kommunen weiter gegeben, was rund sechs Millionen Euro mehr bedeute, die von den Landkreisen zu verwalten seien. Ob dieser Fakt jedoch positiv zu werten ist, stellte Böek in Frage. So müsse man angesichts nicht mehr vorgegebener Zweckbindung der Mittel unweigerlich die Frage stellen: "Wird die Jugendpauschale zur Kanaldeckelpauschale?"
Hier knüpfte Kreistagsabgeordneter und Vertreter des Umweltzentrums Ronney, Walter Tharan (Bündnis '90 / Die Grünen) an. Er äußerte seine Bedenken hinsichtlich des weiteren Bestehens von überregionalen Einrichtungen. "Es ist fraglich ob eine kleine Kommune die nötigen Mittel für eine offene Jugendeinrichtung, deren Gäste überwiegend aus überregionalen Gegenden kommen, aufbringen wird", so der pensionierte Lehrer. Nicht zuletzt deshalb waren sich die Anwesenden einige, dass eine Zweckbindung der Mittel für die Jugendarbeit unabdingbar ist.
"Das Thema heißt: Jugend braucht Zukunft", meldete sich der Leiter der Sekundarschule Loburg, Bernd Wesenberg, zu Wort und machte deutlich, dass er den Kerngedanken der eigentlich angekündigten Thematik vermisse. Gleichzeitig machte der Direktor auf die durch hohe Schülerzahlen in den einzelnen Klassen als Folge der ab diesem Schuljahr durchgesetzten Schulentwicklungsplanung entstehenden Konflikte aufmerksam. Sorge mache dem Zerbster auch die katastrophale Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Wesenberg wünscht sich mehr Zusammenarbeit zwischen Schulen und Einrichtungen in freier Trägerschaft.
"Wir an der Basis geben Nachhilfe-Unterricht, schreiben Bewerbungen, erledigen Suchtberatung", beschrieb der 49-jährige Mitarbeiter des Jugendklubs in Vockerode, Rolf Kurz, seine Arbeit.
Im Hinblick auf die drohenden Kürzungen im sozialen Bereich sieht er die Existenz des in AWO-Trägerschaft stehenden Jugendclubs in Vockerode in Gefahr. "Wir arbeiten an sozialen Brennpunkten, zwei Großbetriebe sind in unserer Region weg gebrochen. Das bedeutet gewalttätige Väter und Drogenprobleme jedes Stadiums", macht Kurz die Situation und damit die Notwendigkeit von offener Jugendarbeit deutlich. Er und so erging es sicherlich vielen der Diskussionsteilnehmer, trat allerdings ohne zählbaren Erfolg die Heimreise an. "Wir wollen nicht optimistisch, nicht pessimistisch sonder realistisch in die Zukunft sehen", beendete Petra Nickel die Veranstaltung.
Das Resümee der Podiumsdiskussion: Angesichts finanzieller Kürzungen ist das Wasser den Jugendeinrichtungen schon heute in den Kiel gelaufen. Bei weiteren Kürzungen droht das Schiff der offenen Jugendarbeit in Sachsen-Anhalt zu sinken.