Pläne von Ludwig Hilberseimer Pläne von Ludwig Hilberseimer: Studenten bauen in Dessau Haus nach Bauhaus-Entwurf von 1932

Dessau - Tausche Hörsaal gegen Baustelle - und das bei für diese Woche vorhergesagten Temperaturen bis 40 Grad. Seit Montag sägen, zimmern und baggern 20 Architekturstudenten aus Kassel im Schweiße ihres Angesichts in der Dessauer Mittelbreite. Binnen drei Wochen wollen sie hier, auf dem Grundstück der ehemaligen Stadtteilbibliothek Süd, ein echtes „Bauhaus bauen“.
Am Dienstag herrschen auf der Baustelle schon gegen 10 Uhr an die 27 Grad. Kopfbedeckungen, möglichst kurze Hosen und Tank Tops sind Grundausstattung bei den jungen Männern und Frauen.
Nach nur einem Tag hat sich auch schon einiges getan auf dem zuvor völlig leeren Platz. Die Studenten haben größere Holzkonstruktionen gezimmert, für die auch jetzt noch Bretter und Balken zurechtgesägt werden. „Wir sind gerade dabei, die Infrastruktur aufzubauen“, erklärt Kim Marie Müller. Die Infrastruktur bestehe aus einer Werkbank und einer Spülbank.
Die Studenten wollen sich während der Bauzeit selbst versorgen
Letztere dient dem Abwasch. Denn die Studenten wollen sich während der Bauzeit selbst versorgen. Gekocht wird an einer mobilen Kochstation, die ihnen das Dessauer VorOrt-Haus geliehen hat. Für die Zutaten hoffen sie auf Spenden.
Einen Sponsoren haben die angehenden Architekten gleich schräg gegenüber gefunden: „Bei Bäckerei Lantzsch können wir uns immer am späten Nachmittag übrig gebliebene Brötchen und Brot abholen“, so Müller. Nun wollen sie noch die umliegenden Supermärkte für Spenden gewinnen. „Wir nehmen alles an Lebensmitteln, alles was noch gut ist und ansonsten weggeschmissen würde“, ergänzt Kommilitonin Jana Hofmann.
Am Bau steht als nächstes das Fundament für den eingeschossigen, rund 80 Quadratmeter großen Holzbau an. Hierfür verlegen die Studenten Betonschwellen von der Deutschen Bahn im Boden. Ursprünglich war ein gegossenes Fundament geplant. „Die Betonschwellen haben aber den Vorteil, dass sie sich später besser zurückbauen lassen“, erklärt Philipp Kern. Denn der Bau bleibt nur gut ein Jahr an Ort und Stelle.
Grundlage ist nicht realisierter Entwurf des Bauhäuslers Ludwig Hilberseimer von 1932
Das neue Törtener Bauhaus folgt einem nicht realisierten Entwurf des Bauhäuslers Ludwig Hilberseimer von 1932, dem sogenannten „wachsenden Haus“. Es wachse, weil nach Hilberseimes Idee an den Hauskern, den ein Paar bewohnen könne, bei Bedarf drei Kinderzimmer angebaut werden können, erläutert Andreas Buss, der das Forschungsprojekt der Uni Kassel leitet.
In der Mittelbreite werde der Komplex jedoch gleich komplett errichtet. Initiiert hat der ehemalige Bauhausdirektor Philipp Oswalt das Projekt. Es biete den Studenten die Möglichkeit, den Entwurf im Selbstbau kennenzulernen und Erfahrungen im Bauprozess zu erlangen, so Buss. Relevant für die wissenschaftliche Forschung sei vor allem, zu entdecken, wie sich das Haus tatsächlich räumlich anfühlt. „Wir kennen es bislang ja nur als Grundrissschnitt.“
Die Anwohner sollen jederzeit vorbeikommen oder sogar mit anpacken können
Neben diesen Aspekten sind den Studenten beim Bau die Faktoren Nachhaltigkeit - Stichwort Essen - und Kontakt zu den Nachbarn wichtig. Die Anwohner sollen jederzeit vorbeikommen oder sogar mit anpacken können. Jeden Mittwoch veranstaltet der Architektennachwuchs zudem offene Abende, um mit Dessauern gemeinsam zu kochen und Filme zu schauen.
Neben dem Fundament wollen die Studenten in dieser Woche auch schon damit beginnen, erste Fassadenelemente zu zimmern. Am 11. August soll das „wachsende Haus“ eröffnet werden. „Den Termin werden wir halten, komme, was da wolle“, sagt Kim Marie Müller. Das Gebäude könne anschließend für nicht kommerzielle Zwecke gemietet werden. Die Schlüssel werde der Werkbund Sachsen-Anhalt verwalten. (mz)



