Schwierige Kontaktsuche in Corona-Zeiten „Pflegende haben kaum Zeit“ - Marina Sander will trotzdem in Dessau eine Kontaktstelle aufbauen

Dessau/MZ - Es war eine kleine Anzeige im April und damit mitten in der Pandemie, auf die sich kaum jemand gemeldet hat. „Zur Gründung einer neuen Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige, welche ein Familienmitglied mit einer seltenen Erkrankung pflegen, können sich die Pflegenden in der Kontaktstelle Pflege, Schlossplatz 3 in 06844 Dessau-Roßlau, anmelden“, ließ Marina Sander damals verbreiten.
Sander, 31 Jahre alt, wuchs im Harz auf, studierte in Halle Psychologie. Sie arbeitet seit wenigen Monaten bei der Arbeits- und Sozialfördergesellschaft (ASG) am Dessauer Schlossplatz. Dort befindet sich seit vielen Jahren die Kontaktstelle für 80 Selbsthilfegruppen unterschiedlicher Erkrankungen. Ihre Aufgabe ist es, eine neue Kontaktstelle speziell für pflegende Angehörige in der Doppelstadt und für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld auf den Weg zu bringen. Träger dieser neuen Kontaktstelle ist Sanders Arbeitgeber, die ASG.
„Meine Arbeit ist in Corona-Zeiten gar nicht so einfach“, gesteht Marina Sander. Zwar sind in Sachsen-Anhalt rund 110.000 Menschen im Sinne des 11. Sozialgesetzbuches pflegebedürftig und rund zwei Drittel von ihnen werden zuhause gepflegt. Es gibt also ein großes Klientel. „Doch Corona macht den ersten Kontakt schwierig“, ahnt Sander Gründe: Wer pflegt, der hat wenig Freizeit und muss Vorkehrungen treffen, gesund zu bleiben. Doch „wer pflegt, der sollte sich mit anderen Betroffenen austauschen, Erfahrungen und Gedanken teilen“, findet sie.
Die Kontaktstelle für pflegende Angehörige bietet den Betreffenden den Raum dafür und sucht darüber hinaus Treffpunkte für die noch aufzubauenden Selbsthilfegruppen in Dessau, Bitterfeld-Wolfen, Köthen und Zerbst.
Sachsen-Anhalt hatte im Jahr 2019 als eines der letzten Bundesländer mehr Hilfe zur Selbsthilfe für Pflegende angeboten. Eine seitdem zur Verfügung stehende Landesförderung bietet nicht nur den 14 Selbsthilfekontaktstellen mit ihren hauptamtlichen Mitarbeitern in kreisfreien Städten und Landkreisen eine finanzielle Förderung. Sondern die Selbsthilfegruppen, die aufgebaut werden, bekommen vom Land finanzielle Unterstützung von jährlich bis zu 2.000 Euro. Konkret, so erklärt Marina Sander, profitieren pflegende Angehörige zusätzlich von dieser Förderung - vorausgesetzt, sie werden Mitglied einer Selbsthilfegruppe.
Von dem Fördergeld könnten sowohl Betreuungsangebote finanziert werden, wenn sich Betroffene eine kurze Auszeit von der Pflege gönnen. Es seien ganz einfache Dinge, die die Betreffenden zusammen unternehmen könnten: zusammen kochen oder entspannen, um ein stückweit Abstand zu bekommen.
In Marina Sanders Familie wurde vor wenigen Jahren auch ein Familienmitglied gepflegt. Die 31-Jährige weiß daher, vor welchen Herausforderungen Pflegende stehen. Häufig stellten sie ihre Aufgabe in den Vordergrund.
Viel zu selten falle auch mal der Satz „Ich bin auch noch wichtig“, weiß Sander und zitiert ein altes Sprichwort, das unterstreicht, der Gedankenaustausch ist wichtig: Denn „geteiltes Leid ist halbes Leid.“
Die Kontaktstelle für pflegende Angehörige befindet sich in Dessau am Schlossplatz 3. Marina Sander ist über E-Mail: [email protected] erreichbar.