Oper "Esclarmonde" Oper "Esclarmonde": Wie auf den Leib geschneidert

dessau/MZ - „Das ist wunderbar“, lobt Kapellmeister Daniel Carlberg. „So muss französische Musik sein. Sie muss schweben.“ Applaus aus dem Orchestergraben nach oben, wo Angelina Ruzzafante, holländische Sopranistin mit italienischen Wurzeln, und der koreanische Tenor Sung-Kyu Park ihre Stimmen französisch schweben lassen. Laut Textbuch befinden sie sich dabei auf einer einsamen Insel. Auf der großen Bühne des Anhaltischen Theaters Dessau, wo ein Bühnenbild erst zu erahnen ist, wird gerade Jules Massenets Oper „Esclarmonde“ geprobt – eine spätromantische Rarität, die am Sonntag Premiere hat.
Interesse bei der Hausleitung
An dieser deutschen Erstaufführung eines Werkes, das 1889 zur Weltausstellung in Paris Furore machte, ist Angelina Ruzzafante gleich in mehrfacher Hinsicht beteiligt: Sie singt die Titelpartie der Esclarmonde und hat das Stück auch noch mit ausgesucht. „Das ist das Schöne an unserem Theater“, wird sie nachher in der Kantine sagen. „Du kannst hier als Sänger beim Repertoire auch mal mitreden.“ Eine Aufnahme der „Esclarmonde“ stand bei Ruzzafante schon lange zu Hause im Schrank: „Ich habe dieses Insel-Duett immer schon geliebt“. Sie brachte das Werk ins Gespräch und stieß auf großes Interesse der Hausleitung – nun steht die Aufführung bevor.
Seit der Spielzeit 2009/2010 ist Ruzzafante fest am Anhaltischen Theater engagiert und hat seither eine gewaltige Bandbreite von Rollen gesungen: Die Elvire in der „Stummen von Portici“ zum Beispiel, die Liù in Puccinis „Turandot“, die Fiordiligi in Mozarts „Così fan tutte“, das Waldvöglein im „Siegfried“ „und natürlich Operetten von A bis Z“. Alle Partien waren auf ihre Weise wichtig, Mozart zum Beispiel. „Seine Musik sollte man alle zwei bis drei Jahre singen, um Klarheit in die Stimme zu bringen“, sagt die Sängerin. Die Esclarmonde jedenfalls sei ihr wie auf den Leib geschneidert. „Man kann in dieser Rolle so schön leise singen. Denn zu brüllen ist ja keine Kunst.“
Angelina Ruzzafante – der Vater Italiener, die Mutter Holländerin - stammt aus der Nähe von Maastricht an der deutsch-holländischen Grenze. Das Singen hat sie in einem der vielen Kinderchöre ihre Heimatregion gelernt und schnell gemerkt, dass sie Spaß auch an solistischen Auftritten hatte. Mit 15 erhielt sie erstmals Gesangsunterricht und entschied sich bald für ein Gesangsstudium. Doch von Oper war damals noch nicht die Rede. „Ich wollte eher wie Barbara Streisand singen.“ Bis sie Bizets „Carmen“ sah und wusste: „Ich muss Opernsängerin werden.“
Auf einer Wellenlänge
Lange war Ruzzafante freischaffend tätig und kam 1993 an das Theater in Hagen, wo bald darauf ein junger Holländer Korrepetitor wurde: Antony Hermus. Als der jetzige Generalmusikdirektor des Anhaltischen Theaters auch als Dirigent ins Geschehen eingriff, folgten viele gemeinsame Projekte: Verdis „Traviata“, Puccinis „La Bohème“, Gounods „Faust“ und Webers „Freischütz“ in Frankreich. Aber auch sonst war die Sopranistin unermüdlich auf Tournee in der ganzen Welt: in Spanien, Frankreich, Polen, Ecuador, Mexiko.
Als Hermus („Mit ihm bin ich einfach auf einer Wellenlänge“) sie bat, ans Dessauer Theater zu kommen, war das indes ihre erste Reise nach Ostdeutschland. „Ich hatte schon einige Vorurteile“, gibt sie zu. Und trauert durchaus dem pulsierenden Nachtleben nach, das es „in Holland selbst in Kleinstädten gibt“. Aber Ruzzafante hat Land und Leute in Anhalt kennen und schätzen gelernt, „und das Ensemble an unserem Theater ist sowieso wunderbar“. Außerdem warten große Aufgaben auf sie: im Herbst die Norma in Vincenzo Bellinis gleichnamiger Oper – und 2014 die Sieglinde in Wagners „Walküre“. „Diese große dramatische Partie wird eine ganz neue Herausforderung für mich werden.“
Die Stimme soll schweben
Doch ganz im Vordergrund steht zunächst die Kaisertochter Esclarmonde, die vererbte Zauberkünste anwendet, um den Ritter Roland zu gewinnen – sich dabei jedoch mit dem katholischen Establishment anlegt. Angelina Ruzzafante, die sich eher der traditionellen Regie verbunden fühlt, freut sich auf schöne Musik, ein schönes Bühnenbild und prächtige Kostüme. Nur einer Anforderung ihrer Rolle sieht sie mit gemischten Gefühlen entgegen: Als verhüllte Esclarmonde muss sie eine ganze Weile durch einen Schleier singen. Doch ihre Stimme wird ganz gewiss trotzdem schweben.
