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Neustart am alten Standort Neustart am alten Standort: Erste Waldorfschule der Region nimmt in Dessau-Mosigkau ihren Betrieb auf

Von Erik Lisso 20.08.2019, 05:00
Die Waldorfschule in Dessau-Mosigkau ist am Sonnabend mit der Einschulung eröffnet worden.
Die Waldorfschule in Dessau-Mosigkau ist am Sonnabend mit der Einschulung eröffnet worden. Thomas Ruttke

Mosigkau - Der Moment ist schon ein besonderer, als Sebastian Rumberg am Sonnabendvormittag das Podium betritt. Einer, von dessen Gelingen wenige Wochen zuvor noch niemand mit Sicherheit hätte sprechen wollen. Nicht einmal Rumberg selbst, der das Projekt erst vor rund eineinhalb Jahren gemeinsam mit seiner Frau Franziska initiierte, wie der junge Familienvater zugibt. Doch nach musikalischer Einleitung durch das Streichquartett der Anhaltischen Philharmonie steht fest: Das gegebene Versprechen hinsichtlich eines Starts zum neuen Schuljahr, es kann gehalten werden. Am ehemaligen Mosigkauer Schulstandort in der Chörauer Straße halten künftig wieder neues Leben und Schulalltag Einzug. Dort, wo zu DDR-Zeiten Polytechnische Oberschule, später dann die Grundschule des Dessauer Ortsteils ihre Heimat fanden, wird ab Montag die Freie Waldorfschule ihren regulären Betrieb aufnehmen. Als erste ihrer Art in der Region.

Bis kurz vor der Eröffnung hatten Vereinsmitstreiter letzte Vorbereitungen getroffen

Dass das besondere Konzept der Waldorf-Pädagogik in einem eher demografieschwachen Landesteil wie der Bauhausstadt Fuß fassen könne, war auch den beiden Begründern nicht von Beginn an klar. Das rege Interesse, auf welches ihre Idee in den sozialen Netzwerken damals stieß, gab letztlich den Ausschlag.

Die sehr positive Resonanz in zahlreichen Info-Abenden hat sie überrascht. „Einen Punkt, an dem wir dachten, es wird nichts mehr, gab es nie“, sagt Sebastian Rumberg am Sonnabend. Noch bis etwa 22 Uhr des Vorabends hatten er und seine Vereinsmitstreiter da letzte Vorbereitungen im frisch renovierten Schulgebäude für den großen Tag der Eröffnung getroffen. Eine der Besonderheiten des Konzepts.

„Die Schule soll durch die Gemeinschaft funktionieren.“ Die Eltern der Schüler, allesamt Mitglieder des tragenden Vereins, bringen sich sein, gestalten mit, sollen die Schule als die ihre empfinden, so Rumberg. „Kollegiale Selbstverwaltung“ durch Eltern und Lehrer gemeinsam, lautet das Stichwort. Im Mittelpunkt jedoch stehen am Sonnabend die künftigen Waldorf-Schüler.

Insgesamt elf Mädchen und Jungen feierten auf dem Mosigkauer Schulhof ihre Einschulung

Insgesamt elf Mädchen und Jungen feierten auf dem Mosigkauer Schulhof ihre Einschulung. Ebenso viele Drittklässler wurden aufgenommen. „Eine optimale Gründungsgröße“, findet Rumberg, „und dennoch keine Selbstverständlichkeit.“ Waren insbesondere für die neuen Erstklässler Doppelbewerbungen an einer zweiten Grundschule nötig, da letzte notwendige Protokollpunkte erst kurz vor dem Start erfüllt werden konnten.

Katrin Schönemann hat diese Umstände gemeinsam mit Tochter Jasmina dennoch auf sich genommen. Die Achtjährige wechselt zum neuen Schuljahr in die dritte Klasse nach Mosigkau. Die Ellbogen-Mentalität an der vorherigen „herkömmlichen“ Schule habe am Ende den Ausschlag gegeben, berichtet die Mutter. „Das Miteinander, auch der Eltern, fühlt sich einfach gut an.“ Deren Zusammensetzung ist bunt gemischt. Über das gesamte Stadtgebiet und darüber hinaus – von Edderitz bis hin nach Wörlitz - reicht das Einzugsgebiet der Schule.

Überzeugt von der Pädagogik ist auch Susanne Kreßer. „Die Kinder entwickeln hier ein Bewusstsein für Dinge, die im Leben wichtig sind“, sagt die Mosigkauerin, die sich im Verein – „ihrer neuen Familie“ – engagiert.

Die neue Schule hat sich der Natur- und Wildnispädagogik verschrieben

„Wir wollten einen Ort schaffen, der den Kindern Geborgenheit bietet und den notwendigen Raum zum Ausprobieren.“ Mathe, Deutsch und die üblichen Grundschulfächer unterrichten die beiden Lehrerinnen Lichthild Koehler und Saskia Schäfer in ihrer ersten beziehungsweise dritten Klasse trotzdem. Der Spielraum bei der Unterrichtsgestaltung ist jedoch größer. Noten werden erst in höheren Klassen erteilt, vorher erstellen die Pädagogen ausführliche Beurteilungen für die Eltern.

Hinzu kommt das Profil der neuen Schule, die sich der Natur- und Wildnispädagogik verschrieben hat. „Zudem lernen die Kinder in Epochen, welche das typische Nebeneinander mehrerer Fächer zeitweise aufheben“, will Rumberg mit dem verbreiteten „Tanz-Klischee“ gegenüber Waldorfschulen aufräumen. „Gerade in der Oberstufe nähert sich das Konzept dem klassischen Schulsystem an.“ Eng verbunden ist die Dessauer Einrichtung mit der Hallenser Waldorfschule, deren Leiter Alexander Hempel tageweise ein Büro in Dessau beziehen wird. Unterstützung kommt außerdem aus Magdeburg.

Nach der feierlichen Einweihung stand für die Abc-Schützen und Drittklässler am Sonnabend eine erste Unterrichtsstunde in ihren neuen Klassenräumen auf dem Plan. In warmen Farben zeigt sich das Gebäude von innen. Noch gleicht das Lehrerzimmer zwar einer Baustelle, doch Hortbereich, Küche und Speiseraum für das Ganztagskonzept sind bereits startklar. Schritt für Schritt soll es weitergehen, blickt Vereinsmitglied Rumberg über das weitläufige Schulgelände. „Das Fundament ist jedenfalls gelegt.“ (mz)