Schweiz statt Hartz IV Neue Arbeit in der Schweiz gefunden: Auswanderin aus Dessau hoffte auf Hilfe vom Jobcenter

Dessau - Denise Böhm zieht es in die Schweiz. Nächste Woche will sich die 31-Jährige mit ihrer kleinen Tochter aufmachen, Anfang Juli soll der Umzugswagen rollen.
In Burgdorf im Kanton Bern hat sie Arbeit gefunden. Und alles muss schnell gehen. Am 10. Juni hatte sie ihr Vorstellungsgespräch, am 10. Juli soll der erste Arbeitstag sein.
Das einzige, was sie bremst, ist Ärger mit dem Jobcenter. Denn ohne ausreichende finanzielle Unterstützung muss die Hartz-IV-Empfängerin ihre Träume begraben.
Denise Böhm braucht Unterstützung vom Jobcenter
Das will sie auf keinen Fall. Dabei, sagt Böhm, „hat mir das Jobcenter geholfen, einen neuen Beruf zu erlernen und meinen Arbeitgeber zu finden“. Soll jetzt alles umsonst gewesen sein?
„Frau Böhm ist zielstrebig, motiviert und bringt viel Potenzial mit. Wir können sie aber nur im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten unterstützen“, sagt Sabine Schlenz, Teamleiterin Marktintegration.
Umschulung zur Industrieelektronikerin
Denise Böhm, erklärt Schlenz, war Teilnehmerin bei „Work first“, nachdem sie erfolgreich zur Industrieelektronikerin umgeschult worden war. Das Ziel: schnell Arbeit finden.
Bei „Work first“ erhalten Teilnehmer sieben Wochen lang ein individuelles Gruppencoaching. Die Erfolgsquote liegt bei 50 Prozent. 36 Teilnehmer gab es im vergangenen Jahr, 24 bereits 2017.
Teilnehmer bekommen Unterstützung vom Jobcenter
Und Denise Böhm ist eine der erfolgreichen Teilnehmerinnen. Während des Coachings wurde auch erklärt, welche Leistungen das Jobcenter im Rahmen des Sozialgesetzbuches II gewähren kann, damit der Start ins Berufsleben klappt - von Einstiegsgeld über die erste Fahrt zur Arbeitsaufnahme beim Unternehmen, Trennungskostenbeihilfe, Übernahme von Umzugskosten oder bei bestimmten Berufen auch eine Ausstattung, wie bei Köchen, die Messer brauchen.
Einige Leistungen nur innerhalb von Deutschland möglich
„Aber erst nach Einreichung aller Unterlagen kann der Vermittler entscheiden“, sagt Schlenz. Einige der vorgestellten Leistungen, so die Teamleiterin, werden nur für Bezieher im Bundesgebiet gewährt.
Und eben das scheint im Fall von Denise Böhm der Haken an der Sache zu sein, weil sie auswandern will: „Die Leistungen enden an der Grenze zur Bundesrepublik“, so Schlenz. Da könnte, vermutet sie, ein falscher Eindruck entstanden sein.
Denise Böhm aber hat nicht locker gelassen, weil sie unterschiedliche Aussagen erhalten hatte. Sie trug ihr Problem auch bei der Stadtverwaltung vor, „denn ich brauche Hilfe“. Am Donnerstag war sie auch noch mal im Jobcenter.
Ein Teil der Kosten wird jetzt übernommen
Etwas erleichtert sagt sie: „Ich habe einen Teilerfolg erzielt.“ Die Umzugskosten, die Trennungskostenbeihilfe und auch die Fahrt in die Schweiz zur Arbeitsaufnahme werden ihr vom Jobcenter bezahlt.
Die Trennungskostenbeihilfe werde sogar für drei Monate übernommen, damit die junge Frau ihre Miete zahlen kann, sagt Schlenz der MZ.
Die Umzugskosten seien bereits im Rahmen des Vermittlungsbudgets bewilligt. Zusammen sei das ein hoher vierstelliger Betrag. Und: „Wir haben Frau Böhm auch einen Berufsabschluss mit auf den Weg gegeben.“
Einstiegsgeld sei aber nicht möglich
Was aber nicht bewilligt werden könne, so Anja Pannier, Pressesprecherin im Jobcenter, seien das Darlehen und das Einstiegsgeld. Weil eben das Leistungen seien, die aus Jobcentersicht laut Gesetz nicht im Ausland gewährt werden könnten.
Der erste Monat, bevor der erste Lohn im August gezahlt wird, bereitet Denise Böhm Kopfzerbrechen. „Wovon“, fragt sie, „sollen wir uns etwas zu essen kaufen?
Wovon soll ich den Kindergartenplatz bezahlen? Wovon die Kaution für die Wohnung?“ Deshalb hätte sie das Darlehen benötigt. Aber ohne? „Dafür brauche ich noch eine Lösung“, sagt die frühere Industriekletterin.
Keine Zukunft in Deutschland
Ihre Familie könne ihr nicht helfen. Aber sie wolle unbedingt in die Schweiz ziehen. „Ich bin eine Vogelmama, die ihrem Kind ein Nest baut“, sagt sie, „denn ich möchte für mein Kind eine gute Zukunft.“ In Dessau oder Deutschland sieht sie diese nicht.
Den Mut zum Auswandern, den die Dessauerin aufbringt, haben nicht viele, sagt Sabine Schlenz. Dass Denise Böhm wieder Kundin beim Jobcenter werden könnte, glaubt sie nicht. „Wir würden solche Fachkräfte aber auch gerne hierbehalten. Die sind auch bei uns gefragt.“
Prinzipiell rät Anja Pannier potenziellen Auswanderern, sich im Berufsinformationszentrum zu informieren oder eine weiterführende Beratung über die Arbeitsvermittlung wahrzunehmen. „Damit auch wirklich klar ist, welche Unterstützung es wofür geben kann.“ (mz)