Neonazi-Demo am 7. März Neonazi-Demo am 7. März: Wie Dessauer mit Rasseln gegen falsches Gedenken protestieren

Dessau - Die Friedensglocke schlug um 18 Uhr. Und aus den Lautsprechern ertönte John Lennon mit „Imagine“, der Hymne schlechthin der Friedensbewegung. Für Frieden, Vielfalt und Weltoffenheit beteten auch die Vertreter der Kirchen sowie rund 60 Dessau-Roßlauer, die sich am Dienstagabend in der Ratsgasse versammelt haben.
Genau 72 Jahre zuvor, am 7. März 1945, erlebte Dessau den schwersten Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg. 45 Minuten lang brannte damals der Himmel über der Stadt. Danach war nur noch wenig von ihr übrig. An dieses Ereignis wurde bei dem Friedensgebet an der Friedensglocke erinnert. Damit „nicht wieder aufbricht, was schon einmal in die Katastrophe gerissen hat“, hieß es da. „Friede ist unser Herzenswunsch“, sagte Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch.
Neonazis missbrauchen Gedenken
Alljährlich ist der 7. März Anlass für Neonazis, sich in Dessau zu versammeln. Gegen 19 Uhr begann am Dienstag der Aufzug von etwa 20 Teilnehmern mit Fackeln und Plakaten am Alten Theater. Mehrere Gegenaktionen hatte das Bündnis Dessau Nazifrei vorbereitet, das zum Netzwerk „Gelebte Demokratie“ gehört. So zum Beispiel am Mahnmal für die Opfer des Faschismus, wo sich etwa 30 Teilnehmer trafen und langsam in Richtung Altes Theater vorrückten.
Mit Trillerpfeifen, Rasseln und einer Trompete verschafften sie ihrem Protest Gehör. Immer wieder riefen sie ironische Kommentare in die schweigende Versammlung der Rechten. Auch, um Passanten darauf aufmerksam zu machen, was da gerade auf der anderen Straßenseite versucht werde, sagt Anmelder Christoph Kaßner, Mitglied des Bündnisses Dessau Nazifrei. Was die extremen Rechten mit ihrem Aufzug versuchten, sei „ein falsches, ein groteskes Gedenken“.
Zeichen setzten gegen rechte Meinungen
„Nicht die Amerikaner haben den Krieg begonnen, sondern die Deutschen. Bei dem Bombenabwurf 1945 waren unter den Opfern auch ein Großteil Zwangsarbeiter“, so Kaßner. Es werde Ursache und Wirkung, Opfer und Täter vertauscht. „Wir können die Nazis dort drüben nicht unwidersprochen stehen lassen. Sie und auch die Menschen, die hier vorübergehen, müssen wissen, dass es Andersdenkende gibt, die sich entgegen stellen. Dieses Zeichen müssen wir immer und immer wieder setzen - gerade in Zeiten, in denen rechte Parteien erstarken.“
Die Polizei schirmte beide Lager voneinander ab und sicherte die Lage. Gegen 20 Uhr sprach sie von einem „friedlichen Verlauf“. Es habe keinerlei Störungen gegeben.
Am Abend gab es zudem einen Gedenkgottesdienst in der Pauluskirche. Und um 21.45 Uhr, der Zeit der Bombardierung, sollten sämtliche Kirchenglocken in Dessau-Roßlau läuten. (mz)