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Nachruf Nachruf: Trauer um Joachim Specht

Von Manfred JenDryschik 17.02.2016, 14:54
Joachim Specht ist tot.
Joachim Specht ist tot. Archiv/Lutz Sebastian

Dessau - Der Stadtzirkel schreibender Arbeiter „W. Majakowski“, 1960 von Werner Steinberg gegründet, war ein solcher ja nur dem Namen nach, eigentlich bildete er von Anfang an einen Kreis werdender und dann gestandener Schriftsteller, ein einzigartiges Phänomen. Namen wie Christa Borchert, Ursula Hörig, Joachim Specht, Kurt Müller, Claus Nowak, Otto Emersleben, Ernst Wenig, Christine Lambrecht, Jürgen Spitzer, Andreas Albrecht und andere belegen dies eindrücklich.

Als diese Gruppierung sich erstmals in einer Lesung der Öffentlichkeit zu erkennen gab, meldete sich ein junger Mann voller Emphase, er würde auch gern richtig schreiben lernen, er hätte, obwohl erst 29 Jahre alt, schon ein Leben hinter sich, er könne vieles berichten, mit ihm solle sich ein Versuch lohnen. Ja, und das stimmte alles auch so.

Auswanderer nach Australien

1931 im Sächsischen geboren, wuchs Joachim Specht in Dessau auf, es gab in der Ferdinand-von-Schill-Straße eine bekannte Schlosserei dieses Namens. Seine Lehre allerdings beendete er, unternehmungslustig, wie er war, in Hamburg. Die Arbeitslosigkeit ließ ihn 1952 auswandern, er landete als Kontraktarbeiter bei der Südaustralischen Eisenbahngesellschaft. Dort begriff er allmählich, dass er hier seine Lebensträume nicht verwirklichen wird und kehrte, um viele Erlebnisse und Erfahrungen reicher, drei Jahre später nach Dessau zurück. Hier machte er seine Meisterprüfung als Schlosser, hier probierte er interessante Geschichten auf’s Papier zu bringen.

Schon im Jahr 1963 erschien sein erstes Buch „Peterborough Story“. Es versammelte Erzählungen über das Dasein in australischen Kleinstädten und im Busch, er hatte sofort seine eigene sensible und zügige Handschrift. In Erinnerung ist mir besonders ein Text, in dem einem jungen Einwanderer durch Nachfragen über seine Vermögensverhältnisse klar gemacht wird, dass er nichts bei den kleinbürgerlichen „anständigen“ Clans zu suchen hat.

Sein großer Familienroman wurde in zwei Bänden „Perpetuum mobile“ (1975/81), ein in Handwerker-Kreisen angesiedeltes Geschehen der Widersprüchlichkeiten. Mit diesen Motiven und Themen des fünften Kontinents fand er seine erzählerische Welt. Er neigte dann zum Abenteuerlichen, und so fand er ein Publikum, das ihm - über die Jahrzehnte verehrend - folgte. Er brauchte nur das Set seiner unterschiedlich großen Bumerangs auszupacken, und es gab in den Schulklassen kein Halten mehr. Jeder Lyriker sehnt sich nach so einem Erfolg, und sei es nur für einen Tag. Er aber konnte da maßlos sein, bis zu dreihundert Mal in einem Jahr stellte er seine Bücher vor.

Doch nicht nur das Schreiben war für Joachim Specht wichtig, er wollte sich einbringen in die Gesellschaft: Er trat der Partei der Liberaldemokraten bei, war Mitglied der Kulturkommission der Stadt, kümmerte sich viele Jahre beratend um Häftlinge. Da war es natürlich für ihn bitter, als im Herbst 1989 niemand mehr auf den „Blockpartei-Freund“ hören wollte.

Auch nach der Wende blieb er als Autor seinen Dessauern erhalten, nun verstärkt als Reporter politischer Hintergründe, sein „Kapen“-Bericht dürfte vielen noch in Erinnerung sein. Und immer wieder anhaltische Historie und die Ausflüge nach Australien in seinen Büchern. Er schrieb, glaube ich, all die Jahre ununterbrochen.

Doppelter Bumerang

Einmal wollte er mir auf einer Wiese im Schillerpark seine Bumerangs vorführen, es kam aber keiner zurück, wir mussten sie dann mühsam suchen. Mit dem Echo seiner Bücher war es ganz anders: Da bekam er von seinem Publikum alles. Joachim Specht starb am 12.Februar im Alter von 85 Jahren. (mz)

Manfred Jendryschik war von 1970 bis 1989 der Leiter des Zirkel schreibender Arbeiter „M. Majakowski“, der sich heute noch trifft. Der Schriftsteller lebt in Leipzig.