Nach sechs Finanzministern kommt der Ruhestand
DESSAU/MZ. - Man lässt Hildebrand Hendriksen ungern gehen. Die Mitarbeiter bedauern seinen Abschied, die Kunden und die Geschäftspartner. Allenthalben waren am Freitagvormittag die Reden voll dankbarer Worte für die Arbeit, die der 63-Jährige in den vergangenen Jahren in Dessau geleistet hat. Hildebrand Hendriksen, der Vorsteher des Finanzamtes Dessau-Roßlau und Leitender Regierungsdirektor, wurde im Rangfoyer des Anhaltischen Theaters während einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet. Ihm zur Seite saß Andreas Unger, der am gleichen Ort in sein neues Amt eingeführt wurde.
"Sie haben hier hocheffizient im Vergleich zu anderen Ländern gearbeitet", derart lobte Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn seinen scheidenden Vorsteher, der, aus Niedersachsen kommend, Anfang der 1990er Jahre in Sachsen-Anhalt half, die Finanzverwaltung aufzubauen. Hendriksen wirkte in Halle, war Vertreter des Vorstehers im Finanzamt Dessau und wurde 1993 dessen Leiter. Sechs Finanzminister habe Hendriksen in dieser Zeit kennen gelernt, "bevor sie den siebten erleben, schicken wir sie schnell in den Ruhestand", scherzte der Minister, wohl wissend, dass Hildebrand Hendriksen das Ausscheiden aus dem Berufsleben nicht leicht fallen wird. Nach 45 Jahren Arbeit in der Finanzverwaltung müsse er nun "Anpassungsstrategien für ein gemeinsames Miteinander" mit seiner Ehefrau Cornelia entwickeln, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten im niedersächsischen Lingen blieb, wohin auch ihr Mann nach Jahren des Pendelns zurückkehrt.
750 000 Kilometer, so hat es der Zahlenfachmann Hendriksen ausgerechnet, habe er während seiner Dessauer Zeit zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsort zurückgelegt. Er gehe, "weil es Menschen gibt, die auf mich warten und die ich nicht enttäuschen möchte". Er habe nun Zeit für seine Leidenschaften: die Jagd, die Frau und die Enkelkinder. "Möglichst geräuschlos" wolle er sich wieder in die Familie integrieren. Dessau wird Hendriksen freilich zweite Heimat bleiben. Er habe hier viele Freunde gefunden und die Region lieben gelernt, wenngleich sich ihm der Charme der Stadt erst auf den zweiten Blick erschloss. "Man wird hier auf Schritt und Tritt erinnert, an Menschen, die Geschichte schrieben und in die Geschichte eingingen", sagte er. Dessau sei für ihn und seine Familie das Tor zum Osten geworden. Fast alle Urlaube habe man seit den 1990er Jahren in Mecklenburg-Vorpommern verbracht und werde dies auch künftig so halten.
Eine Einladung, nach Sachsen-Anhalt zu kommen, erhielt der scheidende Regierungsdirektor schon Freitag bei seiner Verabschiedung. Steuerberater Dieter Kunze sprach diese für eine Tagung im Herbst aus und hob zuvor die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit des hiesigen Finanzamtes mit den steuerberatenden Berufen hervor. "Beidseitig sachliche Kommunikation war der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit", so Kunze, der Hendriksen ein großes Fingerspitzengefühl bescheinigte. Bedauern über den Weggang des Vorstehers drückte auch Dessau Oberbürgermeister Klemens Koschig aus, dem Hendriksen über die vielen Jahre ein guter Freund wurde. Er habe das Finanzamt aufgebaut, geprägt und zwei Jahrzehnte ausgezeichnet geführt.
Das brachte auch Personalratsvorsitzende Andrea Kutzer charmant zum Ausdruck, die als Mitarbeiterin des Finanzamtes ganz unmittelbar von der Zusammenarbeit mit ihrem bisherigen Chef berichtete. Ganz besonders gerieten am Freitagvormittag jedoch die Worte einer Kollegin. Ursula Luther-von Bila, Vertreterin der Vorstehergruppe Mitte, wechselte vor ihrer Rede die Kostümjacke gegen einen Janker und suchte in der Sprache der Weidmänner Analogien für die Arbeit Hendriksens. "Vorbildliche Hege und Pflege" bescheinigte sie ihm gleichermaßen wie einen "hervorragend organisierten Jagdablauf".
Hildebrand Hendriksens Nachfolger Andreas Unger, der von Oberfinanzpräsident Hermannus Erdwiens in sein neues Amt eingeführt wurde, tritt also in große Fußstapfen. Er kam 1991 zur Finanzverwaltung Sachsen-Anhalt und war zunächst Sachgebietsleiter im Finanzamt Quedlinburg, 1994 wechselte er zum Finanzamt Halle-Süd, ab 1995 war er als Vorsteher für das Finanzamt Merseburg verantwortlich. 2002 wechselte er als Vorsteher zum Finanzamt Wittenberg, wo er bis heute arbeitete.
In Dessau-Roßlau übernimmt Andreas Unger ein Finanzamt mit 230 Mitarbeitern, das für die Stadt und den Altkreis Anhalt-Zerbst zuständig ist. Für die Erhebung der Grunderwerbssteuer ist das in der Kühnauer Straße gelegene Finanzamt zentral für das südliche Sachsen-Anhalt zuständig, ebenso für die Prüfungen von Großbetrieben der Finanzämter Wittenberg, Bitterfeld-Wolfen und Köthen.