Nach 22 Jahren Nach 22 Jahren: "Mollige Mode"-Geschäft schließt

Dessau/MZ - Sie dreht sich im Spiegel und fängt an zu nörgeln: „Finden Sie nicht, mein Po ist zu dick und dann noch das Hohlkreuz...“ Worauf Edeltraut Weise eine salomonische Antwort weiß. „Sie müssen sich lieben.“
Wie oft die Frau hinterm Laden-Tresen andere Frauen getröstet hat, wie oft sie das „ewige Leid“ mit vermeintlich ungünstigen Proportionen gehört hat, bleibt ungezählt. Fest steht nur eines. Das für mollige Mode in der Zerbster Straße bekannte Geschäft und der damit weit und breit einzige Spezialladen für Frauen bis Konfektionsgröße 60 wird am 30. Januar zum letzten Mal seine Pforten öffnen. Das Geschäft „Mollige Mode“, das Edeltraut Weise mit ihren Töchtern führt, kündigt den Abschied schon seit Wochen in Inseraten an. Der Restbestand an Kleidung wird gerade ausverkauft, einigen Stammkunden zuliebe hat die Textilhändlerin noch einmal Blusen und Röcke der neuen Frühjahrskollektion besorgt. Bis zum 31. Januar ist das verkauft, dann wird die mittlerweile 76-Jährige ihre Rente und die Freizeit genießen.
Mit über 50 noch einmal durchgestartet
Mit 55 Jahren startete Weise vor 22 Jahren mit einer Geschäftsidee für Mollige noch einmal durch, nachdem die damalige Leiterin der Exquisit-Herrenmode der Handelsorganisation (HO) nach der Wende es noch einmal wissen wollte. Tochter Kerstin Schrödter stand ihr in all den Jahren als Verkäuferin und Beraterin zur Seite, zunächst wurde im Haus des Großvaters in der Dessauer Klughardtstraße das Untergeschoss zum Verkaufsladen umgebaut. Als kurz darauf für zwei Jahre die Heidestraße umfassend saniert worden war, als anschließend die Klughardtstraße zur Einbahnstraße umfunktioniert wurde, als bald darauf das Rathauscenter ins Zentrum zog, stand für beide Frauen fest, dass es schwer werden würde, abseits der Innenstadt Kleidung zu verkaufen. „Wir müssen ins Zentrum“, erinnert sich Kerstin Schrödter an die Erkenntnis, in Dessaus „Gute Stube“ umzuziehen. Nochmals musste in die Zukunft des Geschäfts investiert werden.
Immer weniger Kunden
Im Rückblick klingt ein bisschen Enttäuschung mit: Leider habe sich der Handelsstandort Zerbster Straße im Laufe der Jahre immer mehr zu seinem Nachteil entwickelt, konstatiert die Dessauer Händlerin. „Wenn ich heute ein Geschäft eröffnen würde, dann nur eines mit Kundenparkplätzen vor der Tür“, sagt Kerstin Schrödter und weiß, in der Zerbster Straße kann nicht ein einziger Kunde parken. Edeltraut Weise pflichtet ihr nach 20 Jahren Boulevard bei, dass „immer weniger Kunden in der Zerbster Straße einkaufen gehen“. So habe nicht nur „Mollige Mode“ die Strukturveränderungen jeglicher Art - und sei es nur der Umzug der Rathaus-Mitarbeiter nach Roßlau - zu spüren bekommen. „Leider fehlt der Zerbster Straße mittlerweile ein gesunder Branchenmix“, erinnert Weise als Mitglied des Citynetverbandes z.B. an die Apotheke oder ein Schuhgeschäft, die es längst nicht mehr gibt. Schade nur, dass sich selbst die Politik nicht für Dessaus Innenstadtleben zu interessieren scheint, weiß die Händlerin, dass auch die Kommunikation auf kurzem Wege schon einmal besser lief. Lange schon habe kein Kommunalpolitiker nachgefragt, wie es denn laufe. Früher, erinnert sich Weise speziell an Ex-Bürgermeister Holger Platz (SPD), habe sich die Verwaltung mehr für das Leben vor ihrer Haustür interessiert.