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MZ-Gespräch mit Ulf Reiher MZ-Gespräch mit Ulf Reiher: Am Tatort nach 20 Jahren

20.03.2003, 16:34

Dessau/MZ. - Genau 20 Jahre sind seit Ihrer letzten Premiere - "Krach in Chiozza" - vergangen. Was ist es für ein Gefühl, wieder hier zu sein?

Reiher: Es war zunächst ein banges Gefühl, das dann umgeschlagen ist in ein angenehmes. Ich habe in den sechs Jahren hier als Schauspielregisseur Wurzeln geschlagen, von denen ich zunächst gar nichts wusste. Viele Kollegen, mit denen ich einst arbeitete, sind noch am Haus und haben mir die Rückkehr leicht gemacht. Meine Zusage war nicht nur dem Stück sondern auch Dessau geschuldet. Dieses Theater hat in meinem Leben eine große Rolle gespielt, und den Verbrecher zieht es schließlich immer wieder an den früheren Tatort zurück.

Die Umstände, die Sie nach Dessau führten, waren weniger schön. Zuvor wurden Sie als Intendant in Halle entlassen, weil sie gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestierten.

Reiher: Ich war mir damals der Tragweite meiner Entscheidung bewusst, auch wenn ich in Halle einen großen Vertrauensvorschuss besaß. Ich wurde dort als parteiloser Intendant eingesetzt und man plante, mir die Intendanz der Berliner Volksbühne zu geben. Die Enttäuschung und Verwunderung in der Partei, nach meiner Unterschrift, war groß. Man bot mir an die DDR zu verlassen. Doch ich wollte bleiben. Schließlich wurde verfügt, dass ich weiter im Bezirk Halle zu beschäftigen sei.

Wie erinnern Sie sich an die Jahre in Dessau?

Reiher: Man hat mich hier sehr fair behandelt. Mit Herbert Keller hatte das Theater einen sehr toleranten Intendanten.

Was geschah nach Ihrer letzten Inszenierung 1983?

Reiher: Ich hatte Erich Honecker in einem Brief um eine Arbeitserlaubnis für die BRD, Österreich, die Schweiz, Norwegen und Ungarn gebeten, weil ich in der DDR nicht mehr an allen Theatern inszenieren durfte. Innerhalb von Tagen bekam ich den Pass. Dann arbeitete ich in Westdeutschland und kam an den Wochenenden nach Halle zurück, bis man mir das Angebot machte Intendant in Detmold zu werden. Das sorgte damals auch im Westen für Aufsehen. Die Zeitungen waren voll davon, das ging bis zu Bombendrohungen. Doch die Aufregung legte sich schnell.

In Detmold inszenierten Sie 2002 "Les Misérables". Was bedeutet Ihnen das Stück?

Reiher: Es ist mir ans Herz gewachsen, besonders in diesen Tagen. "Les Misérables" enthält eine Friedensbotschaft und ist ein Stück über eine Nachwende-Zeit. Da finden sich Parallelen zu den Jahren nach 1989. Ich habe gekämpft, damit wir in Detmold als erstes deutsches Theater die Aufführungsrechte bekamen. Dort haben wir es recht einfach gemacht. Hier schreit die große Maschinerie jedoch danach, dem Anspruch der Monumentalität gerecht zu werden.