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MZ-Gespräch mit Albrecht Hatton MZ-Gespräch mit Albrecht Hatton: «Wir starten nicht bei Null»

03.01.2003, 16:16

Dessau/MZ. - Als Banker in Dessau, als Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, wie war Ihre erste Reaktion auf die Prognose für Dessau?

Hatton: Das Statistische Landesamt hat mit seiner Einwohnerprognose für Dessau nicht für eine Überraschung gesorgt. Die Bevölkerung im Land Sachsen-Anhalt, im IHK-Bezirk und eben auch in Dessau nimmt wieder verstärkt ab. Menschen wandern aus, wenn sie langfristig keine Perspektive für sich sehen. Diese Entwicklung hat ausschließlich negative Auswirkungen - auf die Stadt, auf die Region und auf die gesamte Finanzkraft des Landes.

Wie ist Ihrer Meinung darauf richtig zu reagieren?

Hatton: Das Ausbluten muss verhindert werden. Für den Umgang mit solchen Situationen gibt es jedoch keine Fertigrezepte. Zukunftssicherung in einem schwierigen Umfeld braucht das Miteinander der Akteure und unternehmerische Tugenden. Strategien mit Visionen zu entwickeln, Chancen aus der Krise zu suchen und Herausforderungen anzunehmen sind einige davon.

Was kann eine Stadt wie Dessau ganz konkret tun?

Hatton: Wir müssen den Stärken der Stadt Dessau ein eigenes scharfes Profil in der Außendarstellung geben. Dessau hat viel zu bieten: Seit Jahrhunderten gingen von hier Impulse für Fortschritt und Weiterentwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen aus. Diese Leistungen konnten durch die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen und ein fortschrittliches geistiges Klima erreicht werden, durch den Mut für das Neue und die Bereitschaft für den Wandel. Das war das Erfolgsrezept für Dessau. Dadurch bekam die Stadt ein unverwechselbares Profil und erlebte immer wieder Blütezeiten. Die Frage nach Stadtgröße oder der Einwohnerzahl hat sich dabei nicht gestellt. Auch heute muss es sich in Dessau wieder lohnen zu leben, zu arbeiten, selbstständig zu sein, zu studieren, zu investieren, Ideen zu verfolgen und dafür Freiräume vorzufinden. Mit einem selbstbewussten Blick zurück müssen wir mutig nach vorn schauen.

Was ist dort zu sehen?

Hatton: Für den Blick nach vorn braucht es in der Stadt ein klares Konzept, was besser gemacht werden muss. Und da starten wir in Dessau nicht bei Null; hier ist bereits gute Aufbauarbeit geleistet worden. Dennoch stehen wir uns oft selbst im Weg.

Lässt sich das an Beispielen festmachen?

Hatton: Ein Unternehmen wie Steigenberger verlässt die Stadt. Was haben wir gemeinsam getan, um die Übernachtungszahlen im Tourismusgewerbe deutlich zu steigern? Wir haben mit drei Weltkulturerbestätten doch kein Angebotsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem in mehr Wirtschaftskraft. Die Zerbster Straße hat eineinhalb Jahre nach Fertigstellung immer noch nicht ihr Hauptanliegen erfüllt; nämlich durch eine attraktive Gestaltung und Ereignisse mehr Kunden und damit mehr Kaufkraft abzuschöpfen. Das Brauhaus als wichtiger privater Impuls für die Revitalisierung der Langen Gasse hat ein Jahr nach Eröffnung immer noch nicht den vereinbarten Durchbruch von der Zerbster Straße.

Ist das ein Dessauer Problem? Wird zu lange diskutiert?

Hatton: Die zukünftige Nord-Ost-Umgehungsstrasse wird schon wieder in Frage gestellt, obwohl das Verkehrsaufkommen insgesamt wächst. Selbst wenn es geringfügig zurück gehen sollte, reicht das immer noch nicht aus, um Dessau-Nord die Wohn- und Lebensqualität zu geben, die unbedingt nötig ist, um das schönste und älteste Wohnquartier von Dessau als solches zu sichern. Die Sanierung der Stadtschwimmhalle wird in Frage gestellt, ohne über bessere Lösungen nachzudenken. Schaffen wir mit der Sanierung wirklich Topqualität für Dessau oder sind Privatlösungen an dieser oder anderer Stelle auch ein Weg, ein großes Defizit in der Freizeitinfrastruktur zu beseitigen? Spätestens seit 1996 wird ein Technologie- und Gründerzentrum für Dessau von der Wirtschaft gefordert. Dessau hat gute Ressourcen für die traditionellen Industriezweige, aber kaum für neue. Hier sollte schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden.

Warum muss man das überhaupt einfordern?

Hatton: Unternehmer beklagen, dass von außen anfragende Investoren sofort den sprichwörtlichen roten Teppich ausgerollt bekommen, während Ideen der ansässigen Unternehmen oft kritischer betrachtet werden. Der kleinste gemeinsame Nenner beim Ringen um den Kompromiss ist selten die beste Lösung.

Wie kann sich die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau in diesen Prozess einbringen? Was muss sich ändern?

Hatton: Es fehlt nicht an Rat und Mitwirken anderer, zum Beispiel der Industrie- und Handelskammer, sondern an stabilen Mehrheiten im Stadtrat für Entscheidungen, die aus unserer Sicht die Zukunft sichern. Wir werden in unseren Bemühungen für ein lebenswertes und wirtschaftlich gesundes Dessau nicht nachlassen und sind jederzeit für Gespräche und zum Mittun bereit.