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Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Museum für Naturkunde und Vorgeschichte: Kein Gekrabbel und doch Begeisterung

Von Thomas Altmann 29.10.2001, 18:49

Dessau/MZ. - Köder, Salben, Sprays und Gitternetze gehören zu den bevorzugten Antworten auf oft lästig empfundene Begegnungen. - Manchmal erhascht der Blick einen flatternden Farbklecks. Dann springen, meist in Filmen, kauzige Herrn mit Tropenhut und Käscher über blühende Wiesen, deren Begeisterung in einem Schwall lateinischer Begriffe höchstes Entzücken systematisiert. Von dieser keineswegs kauzigen Faszination kann man sich nun im Museum für Naturkunde anstecken lassen. Dort ist die Dauerausstellung "Insekten" eröffnet, die Teil eines dezentralen Ausstellungsprojektes der Naturkundemuseen Sachsen-Anhalts ist.

Auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro wurde 1992 eine Charta zur Erhaltung der schwindenden Lebensvielfalt beschlossen. Amerikanische Wissenschaftler haben ein Programm zur Erforschung der Artenvielfalt unter dem Titel "Systematics Agenda 2000" aufgestellt, in dessen Kontext auch die Ausstellung gehört.

Statt Blumen überreichte Dr. Joachim Müller aus Magdeburg, der über die Bedeutung der Naturkundemuseen sprach, dem Hausherren Ernst Görgner zwei Larvenhäute einer Grünen Flussjungfer und einer Asiatischen Keiljungfer. Diese hat er selbst am Ufer der Elbe gefunden. Freuen kann sich darüber, wer um das zerbrechliche Zusammenspiel der Natur weiß. Die unscheinbaren Häute seien ein "Spitzenindikator für die Intaktheit des Flusses".

Man kennt beinah eine Million Insektenarten. Die geschätzte Zahl der noch nicht entdeckten Arten schwankt zwischen acht und 100 Millionen. Diese Zahl stellt alles in den Schatten, überragt die geschätzte Vielfalt von Bakterien, Pilzen und Algen, selbst wenn man diese addieren würde. So kann die Ausstellung natürlich nur eine Ahnung der Vielfalt vermitteln. Dieses tut sie übersichtlich in bizarren Formen, spannungsreichen Texturen und in dezent weichen oder unverschämt leuchtenden Farben.

Man erfährt das Wesentliche zur Anatomie der sechsbeinigen Geschöpfe mit ihrem klar in Kopf, Brust und Hinterleib gegliederten Körper. Heuschrecken, Tag- und Nachtfalter, Käfer, Hautflügler und vieles mehr sind zu sehen. Dabei beeindruckt etwa die virtuose Tarnung der wandelnden Blätter, die nicht nur Form und Farbe der Blätter, sondern auch deren Bewegungen angenommen haben. Manche der Insekten kennen den perfekten Staat. Einige haben sich wirkungsvoll bewaffnet. Wie etwa der Bombardierkäfer. Dieser erzeugt in einem Drüsensystem Wirkstoffe, welche in Vorratskammern gelagert werden und bei Gefahr in der Zündkammer eine ätzende Lösung erzeugen. Wie Ameisen auf das Ergebnis der Explosion reagieren, kann in einem kleinen Film gesehen werden. An anderer Stelle zelebriert ein mächtiges Modell einer Mücke in behäbigen Bewegungen den Stechvorgang der lästigen Tierchen.

Mit allen Sinnen kann man genießen. Honig kosten, Duftstoffe einiger Käfer riechen oder Heuschrecken und Zikaden belauschen. Die Ausstellung sensibilisiert den Blick. Es gibt sogar schöne Wanzen. Trotzdem wird man sich in lauen Sommernächten wohl weiterhin durch einen tödlichen Schlag vom Kriegsgeschrei der Mücke befreien dürfen, denn das ist besser als Chemie und eigentlich Notwehr.