Modische Frisuren waren ihr Metier
Dessau/Halle/MZ. - Und räumt sogleich mit einem verbreiteten Vorurteil auf: Ein guter Friseur brauche Ruhe bei der Arbeit. "Bei uns werden die Kunden fachlich beraten, aber es wird nicht getratscht", lautete schon damals in Schwerin die Maxime ihres Meisters, bei dem sie Anfang der 50er Jahre den Beruf erlernte.
Dass Schülerin Lisa kreativ veranlagt war, bemerkte schon ihr Zeichenlehrer. Bilder von ihr wurden im Schweriner Schloss ausgestellt, alle lobten das Talent des Mädchens. Modezeichnerin wollte Lisa werden oder Maskenbildnerin. Dafür aber hätte sie studieren müssen. "Wir waren vier Kinder zu Hause, der Vater war im Krieg geblieben und Mutter konnte mir die Ausbildung an der Fachschule in Berlin nicht bezahlen", schildert die Meisterin die damalige schwierige Situation.
So lernte sie Friseurin. Frisuren gestalten, das sei auch kreativ. "Mein Beruf war mein Hobby", sagt Lisa Leucht und zeigt Porträtzeichnungen mit von ihr entworfenen Modefrisuren. Ihr Meisterstück, ein kunstvoll geknüpftes Haarteil nach eigenem Entwurf, bewahrt sie noch heute sorgfältig auf.
1959 wurde ihr Mann vom nahezu unzerstörten Schwerin in die Ruinenstadt Dessau versetzt. Das Ehepaar musste umziehen. Lisa Leucht fiel das schwer. Sie hing an ihrer Heimatstadt, an ihren Kolleginnen. Mit ihrer damaligen Chefin hat sie heute noch Kontakt.
In Dessau stürzte sich die Friseurin sogleich wieder in die Arbeit, wurde 1960 von der PGH "Haus der Haarpflege" zum Meisterlehrgang delegiert, fuhr halbjährlich zur Vorstellung neuer Haarmoden nach Berlin, besuchte Lehrgänge in Leipzig und gab das so erlangte Wissen beim Schaufrisieren ihren Dessauer Kolleginnen weiter. Als der zweite Meister erkrankte, war sie im Friseurgeschäft in der "Scheibe Nord" plötzlich für 60 Mitarbeiter verantwortlich. Doch als sich Lisa Leucht dann Mitte der 60er Jahre selbstständig machen wollte, lehnten die DDR-Behörden das ab.
Die junge Frau resignierte nicht, hielt sich weiter fachlich auf dem Laufenden, trainierte mit Lehrlingen der PGH für Wettbewerbe und erhielt das Ehrenzeichen des Friseurhandwerks in Silber. Seit 1970 arbeitete sie dann bei der PGH "Ihr Friseur" in der heutigen Askanischen Straße, bis Lisa Leucht ihren Beruf 1988 schweren Herzens aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste.
Ihre Kundschaft fehle ihr seither am meisten, sagt die Seniorin. Noch heute werde sie in der Stadt häufig angesprochen. Auch von Lehrlingen, die sie ausgebildet hat und deren Zahl sie gar nicht mehr genau weiß.
Ab und zu geht Lisa Leucht zum Friseur, "auch um zu schauen, wie es die Kollegen heute machen", sagt sie. "Es kommt darauf an, nicht stehen zu bleiben und sich ständig auf dem neuesten Stand der Mode zu halten", gibt sie ihren Nachfolgern mit auf den Weg.
Im Maritim Hotel in Halle wird der Name Leucht heute übrigens zwei Mal genannt. Ihr Ehemann Friedrich Leucht bekommt den Goldenen Meisterbrief. Mit 19 hatte er die Prüfung zum Bäckermeister absolviert. Staatliche Stellen erlaubten ihm dann aber nicht die Übernahme der Konditorei des Großvaters. So hat Friedrich Leucht lieber studiert. Zuletzt war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Filmfabrik Wolfen tätig.