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Landgericht Landgericht: Verfahren gegen Auflage eingestellt

Von Helmut Dawal 05.03.2002, 19:10

Dessau/MZ. - Das Landgericht Dessau hat am Dienstag einen Schlussstrich unter das so genannte Komposturteil gesetzt. Das Verfahren gegen den Görziger Bürgermeister Eckehardt Kniestedt wurde eingestellt, allerdings gegen eine Auflage: Kniestedt muss 2000 Euro an den Förder- und Landschaftspflegeverein Biosphärenreservat "Mittlere Elbe" zahlen. Die Kosten des Verfahrens übernimmt die Staatskasse, das Honorar für seinen Rechtsanwalt hat Kniestedt selbst zu bestreiten.

Das Amtsgericht Köthen hatte den Görziger Bürgermeister im Sommer vergangenen Jahres wegen des Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage, für die es keine behördliche Genehmigung gab, zu einer Geldstrafe von insgesamt 6000 Mark verurteilt (die MZ berichtete). Das Urteil wurde von vielen Görzigern mit Empörung aufgenommen. Hunderte Bürger zeigten sich mit ihrem Bürgermeister solidarisch und brachten das mit einer Unterschriftensammlung zum Ausdruck. Kniestedt ging gegen das Urteil in Berufung, ebenso die Staatsanwaltschaft, die ein noch höheres Strafmaß anstrebte.

Am Dienstag nun sollte die Sache erneut verhandelt werden. Zehn Zeugen waren auf dem Aushang vor dem Gerichtssaal angekündigt. Sie konnten jedoch zu Hause bleiben, da Richter Andreas van Herck am Montag alle Zeugen wieder ausgeladen hatte. Van Herck konnte sich, wie er zur Verhandlung informierte, im Vorfeld sowohl mit dem Staatsanwalt als auch mit Kniestedts Rechtsanwalt Dr. Jürgen Schacht über die weitere Verfahrensweise einigen, was die ursprünglich den ganzen Tag über anberaumte Verhandlung auf eine reichliche halbe Stunde reduzierte.

Drei Gründe hatten den Richter nach der Prüfung des Sachverhaltes bewegt, die Einstellung des Verfahrens vorzuschlagen. Man habe es mit einem "Ersttäter" zu tun, der bisher durchs Leben gegangen sei, ohne strafrechtlich aufzufallen. Kniestedts Handeln, so der Richter, habe "keine große kriminelle Energie" gezeigt. Zudem sei "kein gravierender Schaden für die Umwelt entstanden", was völlig anders gewesen wäre, hätten anstelle der Friedhofsabfälle beispielsweise Ölfässer gelegen. Gleichwohl stellte van Herck "ein großes Manko in der Kommunikation" fest, was für Kniestedt ebenso zutreffe wie für die Behörden. Nach der Auffassung des Richters wäre vieles erspart geblieben, hätte Kniestedt "die Gesetze vorab beachtet" und das Gespräch mit anderen Bürgermeistern gesucht. Van Herck führte als Beispiel Löbnitz an der Linde an, wo es eine Kompostierungsanlage gibt. Werde der Vorschlag zur Einstellung des Verfahrens mit der Auflage angenommen, habe das für Kniestedt den Vorteil, nicht vorbestraft zu sein, machte der Richter deutlich.

Der Staatsanwalt war mit der Vorgehensweise einverstanden und hielt "die Sache damit ausreichend gesühnt". Auch Kniestedts Verteidiger schloss sich dem Vorschlag an, bezeichnete ihn als "Signal des Friedens". "Rein inhaltlich wäre es aber reizvoll, den Prozess streitig durchzuführen, weil er zeigt, was in einer überbürokratisierten Zeit so alles schief laufen kann", bemerkte Jürgen Schacht. Immerhin nehme niemand daran Anstoß, wenn der Einzelne Abfälle auf einem Komposthaufen zusammentrage. Mache das aber eine Gemeinde, dann handele es sich gleich um eine Kompostierungsanlage.

Schacht nutzte die Gelegenheit auch noch zu grundsätzlicher Kritik. Ehrenamtlichen Bürgermeistern werde es oft sehr schwer gemacht, eigene Wege zu beschreiten. "Bemüht sich eine Gemeinde um eigene Regelungen, bleiben sie in der Pipeline der Bürokratie stecken. Das Abwasserprojekt der Gemeinde Görzig ist ein Beispiel dafür." Nicht zuletzt werde disziplinarischer Druck auf solche Bürgermeister ausgeübt, die sich für das Selbstbestimmungsrecht ihrer Gemeinde einsetzen.