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Kreiskrankenhaus Kreiskrankenhaus: Maden heilen Wunden

Von Ute Otto 21.02.2001, 16:04

Zerbst/MZ. - Viele bekommen schon den Ekel, wenn sie nur an Maden denken. Unvorstellbar, sich solche Würmer auf die Haut, geschweige denn in offene Wunden setzen zu lassen. Dennoch; für den Steutzer Karl-Heinz Heene waren die Maden die letzte Hoffnung, seinen durch schwere Diabetes chronisch entzündeten Fuß vor der Amputation zu bewahren.

Im August vorigen Jahres hat Roland Scheiwe, Facharzt für Chirurgie, erstmals eine Patientin mit Fliegenmaden behandelt. Sie hatte eine Operationswunde, die nicht genäht werden konnte, weil das Gewebe an den Wundrändern er-krankt war. Die befallenen Stellen mit dem Skalpell wegzuschneiden hätte bedeutet, die Wunde so zu vertiefen, dass sie kaum noch geschlossen werden könnte, erklärt Scheiwe. Von der Methode, Maden zur Wundheilung einzusetzen, hatte Scheiwe, der sich seit längerem mit den Möglichkeiten der Biochirurgie beschäftigte, schon viel gehört und gelesen. "Ich hab mir gesagt, ich versuch's. Das Schlimmste, was hätte passieren können, wäre gewesen, dass es nicht funktioniert. Schaden nehmen konnte die Patientin dadurch nicht." Knapp 14 Tage später waren die Wundränder so sauber, dass genäht werden konnte. "Da ist das ganze Haus zusammen gelaufen, um das zu sehen", berichtet der junge Facharzt.

Ein Wunder? "Das ist pure Biologie, was da abläuft", erklärt der 37-Jährige. Die Maden scheiden ein Ferment aus, das das kranke Zellgewebe auflöst. "Kein Chirurg könnte mit dem Skalpell so haargenau schneiden, wie die Maden die Zellen trennen." Von dem nun verflüssigten Zellgewebe ernähren sich die Raupen wiederum. <$7>"Sie pumpen sich richtig voll. Wenn man sie einsetzt, sieht man sie kaum, nach ein paar Tagen sind es schon richtige dicke Monster", beschreibt der Facharzt. Vier Tage dauert eine Anwendung, dann werden die deutlich größer gewordenen Maden aus der Wunde entfernt. Zwei bis drei Anwendungen reichen in der Regel, dann ist die Wunde für die weitere Behandlung - z.B. eine Hauttransplantation - vorbereitet.

Inzwischen haben rund 50 Patienten im Zerbster Haus diese Prozedur über sich ergehen lassen. "Bisher hat noch keiner diese Behandlung abgelehnt", so Scheiwe. Der Leidensdruck durch die chronisch offenen Wunden ist für die Patienten zu groß. Außerdem, so die Erfahrung der Ärzte, sind die Patienten heutzutage durch die Medien über solche Methoden schon gut informiert. "Wir hatten eine Patientin, die hat sich 35 Jahre mit offenen Beinen herumgeplagt. Nach sechs Wochen konnten wir sie als geheilt entlassen." So ist auch für den Chefarzt der Chirurgie, Dr. Lothar Heinrich, die Madentherapie eine "tolle Sache." Und übrigens auch von den Kostenträgern anerkannt. Noch zähle dies als alternative Methode, doch ist der Facharzt davon überzeugt, dass sie sich als etabliertes Verfahren durchsetzt.

Dabei ist die Methode schon alt. In Deutschland wurde sie 1928 erstmals bei Kindern nach orthopädischen Operationen angewandt, weiß Scheiwe. Doch gab es damals das Problem, dass die Maden nicht keimfrei waren. Heute züchten spezialisierte Firmen keimfreie Maden. Binnen 48 Stunden nach der Bestellung hat Scheiwe sie im Haus. Was nicht heiße, dass es das gesamte Verfahren auf Bestellung gibt. "Das haben wir uns alles selbst entwickelt", erzählt Scheiwe, dass sich dabei selbst die Schwestern mit Ideen eingebracht hätten; z.B. als es um die Abdeckung des "Biotops" auf der Wunde ging. Derzeit arbeite er daran, einen solche Abdeckung zu finden, die auch eine ambulante Behandlung ermöglicht.

Auch andere biochirurgische Verfahren will das Ärzteteam in Zerbst künftig anbieten, erinnert Scheiwe nur an den "guten alten Blutegel."

Am kommenden Sonnabend um 19 Uhr wird im Regionalmagazin des MDR-Fernsehens ein Beitrag über das Verfahren im Zerbster Krankenhaus gezeigt.