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Krebserkrankungen in Dessau-Roßlau Krebserkrankungen in Dessau-Roßlau: Macht Chemievergangenheit von Rodleben krank?

Von Annette Gens 22.11.2016, 08:35
Über 1.300 Menschen leben in Rodleben. Erkranken hier besonders viele Menschen an Krebs?
Über 1.300 Menschen leben in Rodleben. Erkranken hier besonders viele Menschen an Krebs? Lutz Sebastian

Dessau-Rosslau - Gudrun Meier (Name geändert) ist in Sorge. Bei ihrer Tante wurde kürzlich Blasenkrebs diagnostiziert. Eine gute Freundin war vor einem halben Jahr an Magenkrebs erkrankt. Vor kurzen hat Gudrun Meier außerdem erfahren, dass eine weitere Bekannte an Brustkrebs leidet. Sie kenne weitere Fälle von Krebs aus ihrem persönlichen Umfeld.

Alle Krankheitsfälle, so schreibt Meier, hätten eines gemeinsam: Die meisten ihrer erkrankten Verwandten und Bekannten wohnen in Rodleben, einige auch in Rietzmeck und Roßlau. „Ich weiß nicht ob das wirklich Zufall ist, dass es so viele Kranke in Rodleben und Umgebung gibt“, sagt Meier und hat einen Verdacht: Stehen die Erkrankungen mit den Chemiebetrieben der Region in Zusammenhang?

Rodlebens Bürgermeister kann Sorgen und Argumente nicht vom Tisch wischen

Rodlebens Ortsbürgermeister Frank Rumpf kann Meiers Sorgen und Argumente nicht vom Tisch wischen. Auch der CDU-Mann kennt viele Krebskranke, sagt er. „Aber bisher habe ich es mit den Fortschritten der Medizin verknüpft gesehen“, erinnert Rumpf an den Fakt, „dass Krebserkrankungen früher meist nicht erkannt worden sind und die Menschen ohne Diagnose starben. Heute werden die Erkrankungen früher erkannt - zum Glück“, meint Rumpf.

Grundsätzlich ist Krebs eine der häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Das geht aus einer Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts hervor. Fast jeder Zweite wird im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken.

Neuerkrankungen an Krebs nehmen vor allem wegen des demografischen Wandels zu

„Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Jährlich erkranken etwa 500.000 Menschen bundesweit neu daran“, erklärt Dr. habil. Reinhard Schück, Vorsitzender des Tumorzentrums Anhalt.

Das Zentrum ist eines von drei Krebsregistern im Bundesland und erfasst die Daten erkrankter Personen der Stadt Dessau-Roßlau, der Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg und des Altkreises Bernburg.

Aus statistischen Erhebungen weiß Schück aber auch, dass die Lebenserwartungen von Krebspatienten steigen, jedoch der Anteil der Neuerkrankungen vor allem wegen des demografischen Wandels kontinuierlich zunimmt.

Im Tumorzentrum Anhalt auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Dessau werden die Daten und Behandlungsmethoden von erkrankten Personen der Region erfasst und damit auch die der Stadt Dessau-Roßlau.

Tumorzentrum Anhalt wertet Krebserkrankungen in der Region aus.

Die Auswertung der Daten ermöglicht eine Beurteilung der medizinischen Versorgungsqualität und fördert die interdisziplinäre, patientenbezogene Zusammenarbeit bei der Krebsbehandlung.

Da alle Erkrankungsfälle mit der aktuellen Wohnadresse des Patienten ans Tumorzentrum gemeldet werden, wäre es grundsätzlich möglich, die Anzahl der Krebserkrankungen pro Ortschaft zu bestimmen. Standardmäßig würden aber die Daten nicht für so kleine regionale Einheiten ausgewertet, sagt Schück und kann trotzdem die Bedenken von Gudrun Meier zerstreuen.

So registrierte das Tumorzentrum Anhalt für die Stadt Dessau-Roßlau von 2012 bis 2014 insgesamt 1.758 Krebsneuerkrankungen. Davon entfielen 1.485 auf das Territorium von Dessau und der dazu gehörenden Ortschaften.

273 Krebsneuerkrankungen wurden im Bereich Rodleben, Roßlau und Rietzmeck diagnostiziert. „Bezogen auf die Einwohnerzahlen der Gebiete deutet dies nicht auf eine erhöhte Neuerkrankungsrate in Rodleben, Roßlau und Rietzmeck hin“, versichert Schück.

Auch würden in Bezug auf die geschilderten Krebsarten die Zahlen für Rodleben und Umgebung keine Auffälligkeiten aufweisen. Auf Brustkrebs entfallen jeweils 15 Prozent der Fälle. Die Harnblase ist in Dessau in sechs Prozent und in Rodleben, Roßlau und Rietzmeck in acht Prozent der Fälle betroffen. Der Anteil an Magenkrebs beträgt jeweils etwa zwei Prozent aller Fälle.

Tumorzentrum muss Auffälligkeiten an Gesundheitsamt melden

Würden die Zahlen abweichen und Auffälligkeiten für eine Region ausweisen, so würde das Tumorzentrum das dem Gesundheitsamt melden müssen. „Bisher hatten wir keinen Hinweise auf spezielle Krebscluster und demzufolge keine Veranlassung zur Meldung“, versichert Schück.

Insgesamt 13 Jahre lang war Reinhard Schück Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Städtischen Klinikums Dessau. Aus der beruflichen Erfahrung heraus empfiehlt er jedem, die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen zu nutzen: „Je zeitiger die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf Heilung.“ (mz)

Reinhard Schück, Vorsitzender  des Tumorzentrums Anhalt: „Bisher hatten wir keinen Hinweise auf spezielle Krebscluster.“
Reinhard Schück, Vorsitzender  des Tumorzentrums Anhalt: „Bisher hatten wir keinen Hinweise auf spezielle Krebscluster.“
Lutz Sebastian