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Klagewelle rollt über Dessau Klagewelle rollt über Dessau: Sozialgericht muss tausende Fälle klären

Von Daniel Salpius 19.11.2018, 11:47
Das Sozialgericht in Dessau in der Willy-Lohmann-Straße.
Das Sozialgericht in Dessau in der Willy-Lohmann-Straße. Thomas Ruttke

Dessau - Die Klagewelle um Krankenhausabrechnungen  hat auch das Sozialgericht Dessau-Roßlau erreicht. 97 Klagen aus dem Bereich Krankenversicherungsrecht sind allein im November bei dem Gericht eingegangen. „Sonst haben wir in diesem Bereich in Dessau durchschnittlich 26 neue Verfahren pro Monat“, sagte Thomas Harks, Sprecher des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, auf Anfrage der MZ.

Abrechnungen von Krankenhäusern: Änderung erzeugt Zeitdruck

Landesweit haben Krankenkassen Klagen gegen Krankenhäuser bei den Sozialgerichten eingereicht. Dabei geht es um Rückforderungen in Millionenhöhe. Die Kassen vermuten, dass die Krankenhäuser bei bestimmten Behandlungen mehr abgerechnet haben, als sie durften. Die Klageflut erklärt sich durch eine Gesetzesänderung zum Schutz der Krankenhäuser gegen Kassen-Rückforderungen, durch die ältere Forderungen ansonsten verfallen wären. Stichtag war der Tag der Gesetzesänderung am 9. November.

97 neue Verfahren seien an sich kein allzu großes Problem für das Dessauer Gericht, so Harks weiter. Die Krankenkassen hätten jedoch aufgrund des Zeitdrucks oft jeweils mehrere hundert Fälle zu Sammelklagen zusammengefasst. „Somit kommen wir in Dessau-Roßlau bislang auf 4.059 einzelne Abrechnungsstreitigkeiten.“ Und die müsse das Gericht auch einzeln klären. „Das ist eine erhebliche zusätzliche Belastung“, so der Sprecher.

Beim Sozialgericht Halle sind auf einen Schlag insgesamt 7.000 Streitigkeiten anhängig. Das Sozialgericht Magdeburg hatte allein in der vorvergangenen Woche von Kassen 227 Sammelklagen angenommen.ein vorsorglich geklagt.

Die AOK Sachsen-Anhalt erklärte: „Wir wollen diese Gerichtsprozesse nicht und hätten die Fälle gern in Ruhe mit den Krankenhäusern besprochen“, so Sprecher Sascha Kirmeß. „Durch eine Gesetzesänderung war eine Klage jedoch der einzige Weg, die Ansprüche im Namen unserer Versicherten geltend zu machen.“

Geklagt haben auch andere Kassen, darunter die IKK gesund plus. Ob Krankenhäuser tatsächlich mehr abgerechnet haben als sie es hätten dürfen, wissen die Krankenkassen nicht - sie haben rein vorsorglich geklagt.

Die Klagewelle treffe die drei Sozialgerichte Sachsen-Anhalts in Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg noch dazu in einer Situation, in der sie ohnehin schon durch eine hohe Zahl von Altverfahren – darunter viele Hartz-IV-Verfahren – belastet sei. Wie man nun darauf reagiere und mit welchen Maßnahmen, müsse man noch sehen. „Wir sind dabei, die Klagen zu analysieren.“ In vielen Fällen seien die gleichen Fragen zu klären. Neben der Abrechnung von Behandlungen von Schlaganfällen gehe es besonders oft um geriatrische Behandlungen.

Rückforderungen: Auch Dessauer Kliniken betroffen

Allein bei den nun in Dessau anhängigen Verfahren geht es laut Harks bisher um Rückforderungen von 6,5 Millionen Euro. Auch die Dessauer Krankenhäuser sind betroffen. „Für das städtische Klinikum können wir in dieser Angelegenheit eine Klage der Bahn BKK bestätigen“, sagte Sprecherin Grit Hachmeister. Zudem habe die AOK Sachsen-Anhalt eine Klage angekündigt, die jedoch noch nicht eingegangen sei. Ob die Rückforderungen der Krankenkassen gerechtfertigt seien, müsse gerichtlich geklärt werden. „Unsere juristische Abteilung wird die Vorgänge regelhaft bearbeiten“, so Hachmeister.

Mit seinem Geriatrischen Zentrum gehört auch das Diakonissenkrankenhaus Dessau zu den von den Kassen beklagten Heilanstalten in Sachsen-Anhalt. Die von den Kostenträgern unter anderen beanstandete „geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung“ gehöre zu den zentralen Behandlungsformen des Diakonissenkrankenhauses, sagte die Assistentin der Geschäftsführung, Jeannette Weigang. Sie bewertete die Klagewelle als „ungeheuren Vorgang“.  (mz)