Kirchentag Kirchentag: Dessau nicht voll

Dessau - „An Zahlen“, sagt Yvonne Rinke, „würde ich am Ende nichts festmachen.“ Vielmehr kommt es für sie auf die zahlreichen Begegnungen am Rande an. Auf die Atmosphäre. „Das ist es, was zählt.“ Auch Sonntagmorgen, fünf Uhr. Während sich die Sonne langsam über den Dessauer Hauptbahnhof schiebt, beginnt für Rinke der Einsatz am Bahnsteig zwei. Vorerst der letzte, an dem sie als Helferin zum „Kirchentag auf dem Weg“ in ihrer Wahlheimat teilnehmen „darf“, wie die gebürtige Berlinerin betont.
Gemeinsam mit ihren beiden Mitstreiterinnen verabschiedet sie die Dessauer Gäste, die sich per Schiene auf den Weg zum Abschlussgottesdienst nach Wittenberg machen. Fragen beantworten, letzte Fahrkarten und Reformationssouvenirs an den Mann bringen - die Damen mit den grünen Halstüchern versuchen für jedes Problem eine Lösung zu finden.
Kurz nach halb Sechs: Die ersten roten Doppelstockwagen aus Halle fahren ein. Im Halbstundentakt rollen die Sonderzüge mit der Aufschrift „Südostbayernbahn“ bis zum Mittag in die Lutherstadt. Aus allen Teilen der Republik kommt das Wagenmaterial des Shuttleverkehrs. Doch die anfängliche Nachfrage fällt „eher mager“ aus. Nur wenige verirrte Reisende auf der Suche nach der S-Bahn sind unterwegs.
Erst gegen Acht strömen immer wieder kleinere Gruppen auf den Bahnsteig. Viele von ihnen spontan. „Uns ging es vor allem um das Konzert der Philharmonie am Samstag“, berichten zwei ältere Damen mit kleinen Campingstühlen im Gepäck voll des Lobes. Kurzfristig entschieden sie sich am Vorabend für die Fahrt zum Gottesdienst. „Wenn wir schon einmal in der Region sind, kann man das auch nutzen.“
„Wir müssen Flagge zeigen für unseren Glauben.“
„Die Region verpflichtet“, schließt sich dem auch Brigitte Krabte an. Nach Anhalt-Mahl, diversen Konzerten und Lesungen auf dem Markt gehört der Abschlussgottesdienst für die Dessauerin einfach mit dazu. „Es ist gut, wenn Menschen zusammenkommen und zeigen, dass sie zusammengehören“, sagt Krabte, die sich zwar als evangelisch, jedoch nicht als regelmäßige Kirchgängerin bezeichnet. Emmy Brugmann sieht das ähnlich. Die „besondere Atmosphäre“ hat es ihr angetan, berichtet die Rheinländerin.
Extra für den Kirchentag hat sie die Reise nach Dessau auf sich genommen. „Wir müssen Flagge zeigen für unseren Glauben.“ Mit anderen Gläubigen ins Gespräch zu kommen, das liege ihr am Herzen. „Oft sind wir viel zu still.“ Nach einem Besuch in Wittenberg bereits am Sonnabend hat sie jedoch auch einen Kritikpunkt – die Ausschilderung. Ähnlich geht es zwei Männern, die Sekunden vor der Abfahrt zum Gleis hetzen. Mit den Online-Tickets habe es Probleme gegeben. „Immerhin wurde die Zugbindung aufgehoben“, informiert Chef-Organisatorin Maren Springer-Hoffmann. Die Nachfrage zeigte sich geringer als erwartet.
Die Mehrheit der Sitze in den Zügen blieb am Vormittag weiterhin leer. Doch eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Warum hat auch Springer-Hoffmann nicht. „Da spielen sicher viele Faktoren eine Rolle.“ Sicherheitsbedenken schließen die Organisatoren eher aus. „Anmerkungen in diese Richtung gab es eigentlich keine.“
Die Präsenz von Bundespolizei, Bahnmitarbeitern und Sicherheitskräften am Sonntagvormittag spricht eine deutliche Sprache. Die Lage bleibt entspannt. Nichts anderes ist vom Rettungswagen der Johanniter auf dem Bahnhofsvorplatz zu hören. „Keine Vorfälle“, meldet Rettungsassistent Denny Dietrich. Selbst für Bagatellen wie Sonnenbrände wären sie aber im Fall der Fälle bestens gerüstet. Mit Getränken und Essen warten hingegen die Mitarbeiter der Bahnhofsmission auf. Kirchentage stehen für Chefin Brigitte Magaschütz und Renata Matz alljährlich auf dem Programm.
Organisatoren trotz ausgebliebenen Andrangs zufrieden
Trotz des ausgebliebenen Andrangs am Sonntag - das Fazit des Dessauer „Kirchentages auf dem Weg“ fällt für Maren Springer-Hoffmann positiv aus. „Wir sind zufrieden“, sagt die Organisatorin und erinnert an den „überwältigenden Auftakt“ mit dem Anhalt-Mahl am Donnerstag.
Die Verbindung zwischen Luther mit dem Kirchentagsmotto „Forschen. Lieben. Wollen. Tun.“ und dem „Anhalt-Gedanken“ spielt in ihren Augen eine wichtige Rolle. „Kirche und Anhalt passt perfekt.“ Trotz vieler Skeptiker und einiger Schwierigkeiten, die Ökumene, der Toleranzgedanke ebenso wie die vielen ehrenamtlichen Helfer tun der Region gut, findet sie. „Da sollten wir dranbleiben.“ (mz)